Wir sind doch alle Menschys

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Eine Frau kann genauso maskulin sein wie ein Mann, ein Mann so feminin wie eine Frau. Jeder kann so maskulin und feminin sein, wie er möchte.

Ich fühle mich nicht ausgeblendet oder unterrepräsentiert, wenn sich Markus Söder an seine „Mitbürger“, anstatt an seine „Mitbürger und Mitbürgerinnen“ wendet. Genauso wenig fühle ich mich vergessen, wenn Klaas Heufer-Umlauf in seiner Late Night Show nur seine „lieben Zuschauer“ begrüßt. Schließlich bin ich als Frau auch ein Mitbürger und Zuschauer; ich gehöre dazu.

Meiner Meinung nach ist das selbstverständlich. Und doch hat Late Night Berlin seit ein paar Wochen auf einmal anscheinend auch Zuschauerinnen. Ach, bin ich doch nicht die einzige Frau in Deutschland, die die Sendung ansieht? Wahnsinn.

Jedes Mal, wenn ich das Suffix „-innen“ höre, fühle ich mich als Frau wie das Mitglied einer eigens auszuweisenden, besonderen Gruppe. Warum muss man jetzt an jedes Pluralwort die weibliche Endung mitanhängen? Ich muss nicht daran erinnert werden, dass Frauen auch Bürger sind, auch Zuschauer, auch Kunden, Gäste und Menschen. Ich muss auch nicht daran erinnert werden, dass es Personen gibt, die sich zwischen Mann und Frau fühlen. Das ist mir bewusst.

Ich muss nicht extra daran erinnert werden, ich brauche kein *innen. Im Gegenteil: Erst wenn ich nicht daran erinnert werde, fühle ich mich gleichermaßen repräsentiert und auf derselben Stufe behandelt wie ein Mann – und jeder andere Mensch auch. Ich bin ein Bürger. Ich bin ein Zuschauer. Ich bin ein Fahrradfahrer, und wenn ich mich ganz stark anstrenge, dann kann ich auch ein Auto sein, wenn ich das so will.

Gleichberechtigung geht für mich mit Einigung einher, nicht mit Abgrenzung. Dadurch, dass wir sprachlich Frauen von Männern differenzieren, und Intersexuelle von Männern, Frauen von Transpersonen und so weiter, kommen wir nur zu einer weiteren Entfremdung der Menschen voneinander. Ideale Gleichberechtigung wäre doch eine Einigung, oder nicht? Dieselbe, einende Endung für alle Geschlechter. Genauso, wie wir es gehandhabt haben, bevor „Gästin“ in den Duden aufgenommen wurde. Ein Gast ist ein Mensch. Ob die Gäste einer Veranstaltung nun weiblich, männlich, binär oder sonst etwas sind, kann einem doch gehörig Wurst sein. Alle sind willkommen, wenn niemand ausgeschlossen wird.

Differenzierungen haben uns erst so weit gebracht, dass es Geschlechtsdualismen gibt. Nach dem Aufklärer Jean-Jaques Rousseau waren Frauen gänzlich unterschiedliche Wesen als Männer, nicht einmal Menschen. Ihm zufolge war „die Frau eigens dazu geschaffen […], dem Mann zu gefallen“, darüber hinaus dazu geschaffen, dem Mann „zu gefallen und sich zu unterwerfen“. Dass das kompletter Schwachsinn ist, sollte im 21. Jahrhundert jedem mit einem Hirn klar sein. Indem wir in unserer Sprache extra darauf hinweisen müssen, dass es auch Frauen unter den Nutzern einer Webseite, unter den Lesern einer Zeitung gibt, begeben wir uns in die Geisteshaltung zurück, dass Frauen nicht von Haus aus dazugehören.

Im Lateinischen verwendet man für einen gemischt-geschlechtlichen Plural einfach die männliche Endung des Wortes. Römer sind Romani, die weiblichen Romanae mit den männlichen Romani vereint. Auch interessant: Das lateinische Wort für Bürger („civis“) ist neutral. Im Englischen gibt es bekannterweise gar keine Geschlechter: Ein teacher kann sowohl weiblich als auch männlich als auch alles dazwischen sein. Es ist simpel, es ist platzsparend, man hat keinen Unter-, Schrägstrich oder *, den man beim Lesen dechiffrieren muss und der meine Hausarbeit über das öffentliche Bild John F. Kennedys wie eine mathematische Gleichung aussehen lässt.

Warum also die Sprache mit Mehrfachnennungen und unnatürlichen Pausen verdicken, wenn es einen einfacheren Weg um das Problem herum gibt? Wenn wir alle Geschlechter, alle Menschen, Sexualitäten und Orientierungen in unsere Sprache miteinbeziehen wollen, ohne dabei wie Vollidioten zu klingen, weil wir in einem Satz 10 Sternchen und Pausen sprechen, dann müsste eine gemeinsame Endung für alle her. „Liebe Bürger“ oder vielleicht „Liebe Bürgera/Bürgerli/Bürgsen/Bürgys.“

Letztere Wortneuschöpfung stammt vom österreichischen Schriftsteller, Aktionskünstler und Talkshowmoderator Hermes Phettberg, welcher sich schon vor Jahren eine neue Endung für alle ausgedacht hat. Leser sind bei ihm „Lesys“, Ärzte „Ärztys“ und Gott ist ein „Gotty“. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob das noch niedlich klingt oder schon bescheuert, aber es ist allemal einfacher, als von Gött_er/innen, Les*er+innen oder Kraftfahrzeugführern und Kraftfahrzeugführerinnen zu sprechen.

Sprache ist komplex, und Sprache ist schön. Sprache ist eine Kunst, und als solche verändert sich Sprache stetig, eben wie sich die Gesellschaft verändert. Doch ich finde, Sprache darf nicht so verändert werden, dass sie als Mittel zum Zweck genutzt wird. Wir wollen inklusiver werden und niemanden mehr diskriminieren? Dann sollten wir anfangen, dementsprechend zu denken und zu handeln, anstatt zu versuchen, Toleranz durch das Einführen einer unpraktikablen Universalendung zu erzwingen. Das löst das Problem nicht.

Für mich sprechen Taten der Gleichberechtigung mehr als schöne Worte. Wer nur mit Phrasen um sich wirft, die sich tolerant anhören, weil es zur gesellschaftlichen Norm geworden ist, aber nichts tut, um tatsächlich Toleranz zu zeigen, der ist für mich nur ein Großmaul im Schafspelz.

Am Ende des Tages diskriminieren nicht Worte Menschen, sondern Menschen andere Menschen.