Doppelpunkt, Unterstrich, Sternchen?

Das ist der zweite Artikel unserer monatlichen Cross-Media-Reihe, gemeinsam mit dem Augsburger Uni-Radio KanalC! Für mehr spannende Infos zum Thema Gendern, hört am übernächsten Montag, den 03.05., ab 21:50 Uhr bei Radio Fantasy rein oder streamt die Sendung hier!

© Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

In den Medien hört und sieht man es immer häufiger. Egal ob Fernsehen, Radio, Tageszeitung oder in Sozialen Medien: Überall wird gegendert. Die Meinungen zum Thema geschlechtergerechter Sprache sind unterschiedlich. Unsere Redakteurin Sarah hat in diesem Artikel ihre persönliche Meinung dazu geäußert. In den sozialen Medien toben die Diskussionen. Unter dem #gendern finden sich zahlreiche, emotionsgeladenen Tweeds.
In diesem Artikel sollen Emotionen deshalb weitgehend ausgeklammert werden. 

Worum geht es bei der Gender-Debatte?

Anlass ist die immer häufigere Verwendung von geschlechtergerechter Sprache in den Medien. Anstatt das generische Maskulinum zu verwenden, also beispielsweise von „Studenten“ zu sprechen, wird nun von „Studentinnen und Studenten“ oder seit neuestem auch von „Student*innen“ geschrieben, beziehungsweise „Student (Pause) innen“ gesprochen.

Durch die Pause sollen alle angesprochen werden, auch jene, die sich als non-binär, also weder Frau noch Mann, identifizieren.

Das generische Maskulinum wird als „beide Geschlechter umfassend“ definiert. Es wird nur die maskuline Form genannt, die aber die beiden Geschlechter (männlich und weiblich) umfassen soll. In einem Text wird beispielsweise nur von Studenten gesprochen, gemeint sind aber Studenten und Studentinnen.

Viele kritisieren, dass Frauen durch das generische Maskulinum weniger sichtbar wären. Dies ist nicht nur eine leere Behauptung, sondern wird von verschiedenen Studien bewiesen.
Das zeigt beispielsweise eine Studie aus dem Jahr 2001, in der die Teilnehmenden beliebte Persönlichkeiten nennen sollten. In den Fragebögen wurde entweder das generische Maskulinum (liebster Romanheld), eine neutrale Form (liebste Romanfigur) oder die Paarform (liebster Romanheld, liebste Romanheldin) verwendet. Mit dem Ergebnis, dass bei der neutralen Formulierung und der Paarform mehr Frauen genannt wurden.

Diese Schreibweisen wurden eingeführt, um Frauen sichtbarer zu machen:

Schrägstrich: Student/innen, Student/-innen
Klammer: Student(innen)
Binnen-I: StudentInnen
Doppelnennung/Paarform: Studenten und Studentinnen

Bei diesen Schreibweisen sind aber nur Männer und Frauen genannt, non-binäre Personen werden  nicht explizit sichtbar. In den letzten Jahren kamen deshalb neue Schreibweisen auf:

Doppelpunkt: Student:innen
Gender-Gap (Unterstrich): Student_innen
Genderstern (Asterisk): Student*innen

Wie sieht es offiziell aus?

Zuständig für Rechtschreibregeln und deren Anpassung ist der Rat für deutsche Rechtschreibung. Er besteht aus Personen deutschsprachiger Staaten (vorwiegend Deutschland, Österreich und der Schweiz). Alle paar Jahre wird das amtliche Regelwerk herausgegeben, indem die Rechtschreibregeln festgehalten werden. In dem neuesten Regelwerk aus dem Jahr 2018 formuliert der Rat zum Thema geschlechtergerechte Schreibung sechs Kriterien.

Geschlechtergerechte Texte sollen:

  • sachlich korrekt sein
  • verständlich und lesbar sein
  • vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen)
  • Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten
  • übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen
  • für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen

Für den Rat erfüllen die neuen Schreibweisen mit Doppelpunkt, Unterstrich und Asterisk, die Kriterien in den Punkten Verständlichkeit, Lesbarkeit und Vorlesbarkeit nicht. Diese Meinung bestätigte der Rat nochmal in einer Empfehlung am 26.03.21.

Leiden die Verständlichkeit, Lesbarkeit und Vorlesbarkeit tatsächlich so stark an den der Gender-Gap bzw. dem Genderstern?

Dazu gibt es noch keine aktuellen Studien. Allerdings hat eine Studie aus dem Jahr 2010 die Verständlichkeit eines Textes mit verschiedenen Schreibweisen (generisches Maskulinum, Neutrale Formulierung/Paarform und Binnen-I) untersucht. Zu lesen und verstehen war der Vertrag eines Stromanbieters.
Das Ergebnis: Mit der neutralen Formulierung/Paarform und dem Binnen-I benötigten die Teilnehmenden etwas mehr Zeit beim Lesen, jedoch war der Unterschied kaum signifikant. Die geschlechtergerechte Schreibweise machte lediglich Einbußen bei der Ästhetik.

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2007 kommt zu dem Ergebnis, dass die Lesegeschwindigkeit nur bei den ersten Begegnungen mit geschlechtergerechter Sprache leidet. Bei wiederholten Tests normalisierte sich die Lesegeschwindigkeit der Teilnehmenden. Das heißt unser Gehirn gewöhnt sich an die neuen Schreibweisen.

Dass dasselbe auch für die Gender-Gap/den Genderstern gilt, wird von Forschenden angenommen. Diese Frage lässt sich aufgrund fehlender Studien aber noch nicht wissenschaftlich beantworten.

Abgesehen vom Gendern gibt es auch noch andere Möglichkeiten für geschlechtergerechte Sprache:

Geschlechtsneutrale Ausdrücke:              Menschen, Leute, Personen
Sachbezeichnungen:                                        Staatsoberhaupt, Leitung, Kollegium, Gremium
Substantivierungen im Plural:                     die Studierenden, die Anwesenden

Diese lassen sich zwar nicht auf alle Situationen anwenden, bieten aber eine unkomplizierte Möglichkeit, um alle Menschen anzusprechen.

Gendern und Kinder?

Was für einen Unterschied macht geschlechtergerechte Sprache bei Kindern? Auch dazu gibt es bis jetzt noch kaum Studien. Eine Studie aus dem Jahr 2015 kommt aber zu einem erstaunlichen Ergebnis.

Deutschen und belgischen Grundschulkindern im Alter von 7-12 Jahren wurden Berufsbeschreibungen entweder nur im generischen Maskulinum, zum Beispiel „Ingenieur“ oder in Paarform, also „Ingenieur und Ingenieurin“ genannt.

Egal welches Alter, Geschlecht oder Herkunft die Kinder hatten, bei der Paarform wurden „typisch männliche Berufe“ als einfacher eingestuft, als wenn sie nur im generischen Maskulinum angegeben waren und Mädchen trauten sich eher „typisch männliche Berufe“ zu.

Auch wenn es im ersten Moment nicht so erscheint, die Schreibweise macht durchaus einen Unterschied in unserer Wahrnehmung aus. Doppelpunkt, Unterstrich und Sternchen helfen die binäre Geschlechtereinteilung aufzubrechen, da nicht-binäre Menschen inkludiert werden. Geschlechtergerechte Sprache kann eine Chance für uns alle sein, nicht mehr in Frau-Mann-Klischees zu denken.
Natürlich ist das Gendern nur EIN Werkzeug, um daran etwas zu verändern und ersetzt nicht andere Formen der Wahrnehmung und Förderung, aber es ist ein Anfang.

Noch gibt es keine einheitlichen oder verbindlichen Regeln zum Gendern. Deshalb bleibt es uns selbst überlassen ob, und wie wir Gendern.

Die Debatte ums Gendern hat gerade erst angefangen und es bleibt spannend, wie sich die geschlechtergerechte Schreibweise entwickeln wird. Im Moment scheint der Genderstern auf Vormarsch zu sein, aber auch andere, neue Schreibweisen können in Zukunft auftauchen.