Studieren in Transsylvanien (Siebenbürgen)

© Antonia Deac

Die ganze Welt wurde durch Covid-19 auf den Kopf gestellt. Das betrifft auch unser Studentenleben. Es gibt keine Präsenzvorlesungen mehr, man kennt seine Kommiliton:innen und Professor:innen nur noch über den Bildschirm und von Partys ist erst recht nicht die Rede. Und genau dies verbindet Studierende über Landesgrenzen hinweg. Wie sieht das Studentenleben in anderen Ländern derzeit aus?

Einen Einblick gibt uns Antonia Deac, eine zwanzigjährige Studentin aus Rumänien. Sie studiert an der Lucian-Blaga-Universität in Sibiu/Hermannstadt, welches in Transsylvanien liegt. In der „Facultatea de Literesi Arte“ belegt sie die Studiengänge Chinesisch und Englisch, wobei ihr Schwerpunkt in Chinesisch liegt. Momentan befindet sie sich im vierten Semester ihres Bachelorstudiums und hat danach vor ihren Master zu machen. Durch Covid-19 wurde auch ihr (Studenten)Leben völlig auf den Kopf gestellt. Aus diesem Grund erklärt sie uns, wie es ist, an einer rumänischen Universität zu studieren (siehe auch Unterschiede im Studium zwischen Deutschland und Russland) , und welche Veränderungen die Pandemie mit sich brachte.

Zuerst wäre es spannend zu erfahren, wer an einer Universität studieren kann. Gibt es, wie in Deutschland, mehrere Wege das Abitur zu machen?

In Rumänien geht der Notenschlüssel von eins bis zehn. Hierbei ist zehn die beste Note und eins die schlechterste. Um an einer Universität studieren zu dürfen, muss man beim Abitur eine bessere Note als sechs haben. Wenn man dies nicht schafft, kann man es aber noch einmal nachholen. Allerdings kann man hier das Abitur, wir nennen es das „Examen de Bacalaureat“, nur auf einem Gymnasium, hier „Liceu“ genannt, erwerben. Einen anderen Weg gibt es dafür nicht.

Könntest du vielleicht kurz erklären, wie die Anmeldung an einer Universität erfolgt?

Wenn man sich an einer Universität bewirbt, muss man eine Mappe abgeben. Diese beinhaltet eine Kopie des Abiturzeugnisses, der Geburtsurkunde, des Personalausweises und Personalbilder. Man muss auch eine Gebühr zahlen. Bei mir waren es damals ungefähr 50 Leu (das entspricht ca. 10€). Nachdem jeder seine Mappe eingereicht hat, vergeht eine gewisse Zeit und die Namen der Studierenden, die an der Universität studieren dürfen, erscheinen im Internet. In meinem Fall durfte jeder, der sich für meinen Studiengang angemeldet hatte, studieren. In Ausnahmefällen, wie z.B. bei Jura- und Medizinstudiengängen, muss man eine Prüfung absolvieren. Hier zählt dann auch nur die Note der spezifischen Prüfung, um studieren zu dürfen, das Abitur spielt keine Rolle.

Der Staat finanziert circa 30 Prozent der Studienplätze, die nach dem Leistungsprinzip vergeben werden. Könntest du dieses Prinzip noch einmal genauer erklären?

Nachdem man die Mappe vor dem ersten Semester abgegeben hat, wird berechnet, ob man für ein Jahr, also für die ersten beiden Semester, zahlen muss, oder ob man im Budget liegt. Dies kann man online einsehen. Nach diesem Jahr muss man die Mappe nicht mehr einreichen. Ob man einen vom Staat finanzierten Studienplatz bekommt, hängt von den Noten und vom Budget der Universität ab. In meinem Studiengang kam das bis jetzt nur zwei- bis dreimal vor, dass jemand die Gebühr zahlen musste. Diese betrug dann 573€ für ein Jahr, das kann sich aber auch ändern. Darüber hinaus bekommen die besten vier eines Studienganges je 200€ pro Monat. Hier muss man aber auch sehen, dass man ab dem Gymnasium kein Kindergeld mehr vom Staat bekommt.

Welche Universität besuchst du, wie groß ist sie, wie viele Studierende sind immatrikuliert und welche Studiengänge werden angeboten?

Ich studiere in Hermannstadt/Sibiu auf der Lucian-Blaga-Universität. Es ist eine verhältnismäßig große Universität, da sie neun Fakultäten beinhaltet, wie z.B. die technologische Fakultät, die juristische Fakultät und die wirtschaftliche Fakultät. Insgesamt studieren hier 14.740 (2017) Menschen. Es gibt einen Campus, zwei Kantinen, vier Cafés und acht Studentenwohnheime, die über die Stadt verteilt sind.

 

Wie lange dauert ein Semester, die anschließende Prüfungsphase und die Semesterferien? 

Jedes Semester hat 14 Wochen. Danach folgen drei Wochen der Prüfungsphase. Anschließend gibt es noch eine Woche, bei der man nicht bestandene Prüfungen wiederholen kann, bzw. bei der man die Möglichkeit hat, sich zu verbessern. Dieses Schema ist im ersten und im zweiten Semester dasselbe. Allerdings unterscheidet sich die Länge der Semesterferien. Während die Semesterferien nach dem Wintersemester nur eine Woche lang sind, sind die Semesterferien im Sommer ungefähr 15 Wochen lang. Hinzu kommen noch zwei Wochen Weihnachtsferien und eine Woche Osterferien.

Gibt es an deiner Universität Freizeitangebote, wie z.B. verschiedene Sportangebote, oder auch eine Unizeitung, -radio oder -fernsehen?

Freizeitangebote an sich gibt es hier nicht. Allerdings müssen wir die ersten vier Semester einen Sportkurs belegen. Dieser wird dann auch benotet. Von einer Unizeitung, -radio oder -fernsehen habe ich bis jetzt noch nicht gehört. 

Wie funktioniert das Studieren mit Corona?

Es fühlt sich seltsam an, keinen sozialen Kontakt zu den Kommiliton:innen zu haben. Auch fühlt es sich so an, als wären die Wochen länger. Einige meiner Professor:innen haben durch Corona ihre Erwartungen erhöht. Wir bekommen viele zusätzliche Aufgaben, da wir ja nur Zuhause sind. Das ist teilweise sehr anstrengend. Am Anfang war das noch anders. Wir hatten keine Vorlesungen, sondern mussten Aufgaben Zuhause lösen und den Professor:innen schicken.

Werden die Vorlesungen asynchron oder live gehalten?

Alle meine Kurse sind live. Das funktioniert auch zum größten Teil sehr gut. Bis jetzt hatte ich noch nie Probleme mit dem WLAN. Manchmal haben ein paar Lehrende Schwierigkeiten mit der Internetverbindung, aber oft kommt das auch nicht vor. Allerdings werden die Online-Kurse bei uns nicht aufgenommen.

Interview mit Antonia (© Clarissa Bilevitz)

 

Ist die Universität oder die Bibliothek geöffnet?

Die Universitätsbibliothek ist leider geschlossen. Viele Bücher werden deswegen eingescannt und man kann sie online abrufen. Die Universität ist hingegen geöffnet, falls man etwas abgeben oder auch abholen muss. Auch für Fragen hat sie geöffnet.

Finden z.B. Weihnachtsfeiern oder auch Semester-Closing-Partys online statt?

Derartige Feste finden bei uns leider nicht statt. Auch ohne Corona gibt es sie nicht. Nur im ersten Semester gibt es einen „Miss and Mister Contest“, der hier „balul bobocilor“ heißt. Die ganze Universität, unabhängig von der Fakultät, kann sich hierfür anmelden. Man trifft sich anschließend in einem Club, in dem dann unter anderem eine kleine Talentshow stattfindet. Die Kandidaten singen, tanzen, etc. auf der Bühne. Dazwischen wird viel getanzt und man kann an einigen Spielen teilnehmen. Zum Schluss kann man dann seine Stimme für die “Miss” und den “Mister” abgeben. Durch Corona konnte das nicht stattfinden. Auch Online wurde es nicht nachgeholt.

Wie regeln die Universitäten die Prüfungen während Corona?

Die schriftlichen Prüfungen beantwortet man zu Hause im Internet. Auf Google Formulare schreiben wir unsere Antworten und senden sie anschließend ab. Währenddessen ist man auch auf GoogleMeet und manchmal wird es dann auch aufgezeichnet, sodass die Professor:in es sich später noch einmal anschauen kann. Da allerdings die Umgebung bzw. der Schreibtisch nicht überprüft wird, ist es sehr leicht zu schummeln. Die mündlichen Prüfungen finden auch online statt. Diese werden immer aufgezeichnet, damit die Professor:in für den Fall einen Beweis hat.

Welche Noten bzw. welche Anforderungen muss man erfüllen, um den Bachelor zu bekommen?

Man muss eine Bachelorarbeit schreiben und diese auch präsentieren. Danach muss man noch einen Test bestehen, der den Stoff der sechs Semester beinhaltet. Diesen Test muss man für jedes Fach schreiben, also bei mir wäre es einer in Chinesisch und einer in Englisch.  Auch muss man eine bestimmte Punktzahl, die man für jede Prüfung bekommt, erreicht haben.

Welche Vor- und welche Nachteile siehst du durch das Online-Studium?

Ein großer Nachteil ist, dass man während den Klausuren viel schummeln kann. Dadurch ist es viel schwieriger unter den besten vier zu sein und das monatliche Geld zu bekommen. Ich finde es auch sehr schade, dass der soziale Kontakt verloren geht. Man sieht sowohl seine Kommiliton:innen als auch seine Professor:innen nicht mehr. Wie ich auch schon gesagt habe, erwarten die Professor:innen zudem mehr von einem. Man hat sehr wenig Freizeit, das ist natürlich auch ein großer Nachteil. Aber es gibt  auch Vorteile des Online-Studiums. Einer ist, dass man zu Hause bleiben kann. Ich brauche zu meiner Universität 40 min mit dem Bus, da ist es schon ein großer Vorteil Onlineunterricht zu haben. Die Tatsache, dass man zu Hause, in seiner vertrauten Umgebung ist, ist mir sehr wichtig.

© Antonia Deac

Vielen Dank an Antonia, die uns einen spannenden Einblick in das Studentenleben in Rumänien gegeben hat.

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