Queer in Augsburg

Bestimmt sind euch in diesem Monat viele Regenbögen aufgefallen. Seien es Regenbogenfahnen an Häusern oder Geschäften, auf Verpackungen oder in den sozialen Medien. Der Juni ist für Menschen der LGBTQ+ Gemeinschaft ein besonderer Monat, der sogenannte Pride Month.

Es finden Demonstrationen, Paraden und viele weitere Veranstaltungen statt, bei denen das queer Sein gefeiert, aber auch auf bestehende Missstände für Menschen aus der LGBTQ+ Community aufmerksam gemacht wird. Auch Augsburg besitzt eine queere Community. Jedes Jahr veranstaltet der CSD Verein Augsburg den Christopher Street Day. Aufgrund der Pandemie konnte er letztes Jahr nur online stattfinden. In diesem Jahr konnte er wieder in Präsenz stattfinden.

Queer Augsburg

Ein weiterer Teil dieser Community ist Queer Augsburg. Die Gruppe wurde von zwei Studenten im Jahr 2019 gegründet. Einer der beiden Gründer Paul Kunstmann erzählt, er habe Queer Augsburg mitgegründet, weil es in Augsburg zu wenige Angebote gibt, in denen sich queere Menschen in einem sicheren Raum treffen, voneinander lernen, sich weiterentwickeln und gemeinsam neue Projekte planen und umsetzen können. Solche Räume seien notwendig für die queere Community, da sie die Keimzelle für viele weiteren queere Projekte darstellen: queere Lesekreise, queere Stadtteilprojekte, queere Theatergruppen, Aufklärungsprojekte, usw. “Diese Vorhaben lassen sich nur gemeinsam umsetzen”, erklärt Paul. Und Gemeinschaft fände sich bei den regelmäßigen Treffen von Queer Augsburg. “Die Community bietet einen sicheren Raum, in dem man sich respektiert und akzeptiert, in dem man sich frei entfalten kann und in dem Gleichstellung und Offenheit gelebt und gefördert werden.”

Von Anfang an habe Queer Augsburg dabei einen generalistischen Ansatz verfolgt und weder nach Alter noch nach Beruf unterschieden. “Schon beim ersten Treffen waren vier von sieben Teilnehmenden keine Studierenden”, erzählt Paul.Entsprechend hat sich die Gruppenstruktur entwickelt: Studierende stellen bis heute die Mehrheit bei Queer Augsburg, es gibt aber auch viele, die arbeiten, zur Schule gehen und jünger oder älter als der:die Durchschnittsstudierende sind, erläutert Paul. Getreu dem Motto von Queer Augsburg Offen für alle.

Um auf das erste große Treffen im Wintersemester 2019 aufmerksam zu machen, druckten die Mitglieder von Queer Augsburg Plakate, Flyer und Sticker. Diese wurden auf dem Campus, den Ersti-Tüten und der O-Phase verteilt. Auch auf verschiedenen Social Media Plattformen wurde für das Treffen geworben.

„Ich habe schon sehr früh erkannt, dass das Entscheidende für den Erfolg von Queer Augsburg das Marketing sein wird. Niemand kommt zu einem Treffen, von dem man nichts weiß. Wir haben daher auf sehr vielen Wegen Werbung für unser Treffen gemacht.“ - Paul Kunstmann

Mit Erfolg. Am 22. Oktober war es dann soweit. „Ich war überwältigt von der großen Anzahl der Leute, die da waren. Nach unserer offiziellen Zählung waren mindestens 52 Personen anwesend. Da es aber schwer war, den Überblick zu behalten, hätten es aber auch locker zehn mehr sein können. Vor dem Treffen meinten die meisten meiner Unterstützer*innen, dass allerhöchstens 30 Personen kommen werden. Sie hielten mich für wahnsinnig als ich einen Raum für 60 Personen organisiert hatte.“

Kerninhalt der Kennenlerntreffen ist stets das Speeddating, bei dem man mit ständig wechselnden Personen über unterschiedliche vorgegebene Icebreaker-Fragen redet. Auch heute Abend um 19:00 Uhr findet ein Online-Kennenlerntreffen statt. Weitere Infos dazu stehen auf der Website oder dem Instagram Account von Queer Augsburg.

Das Logo von Queer Augsburg © Queer Augsburg

Vor Corona gab es neben dem Kennenlerntreffen einen queeren Filmeabend, es wurden Kekse gebacken und Pool Billard gespielt. Damals entstanden die ersten Themenabende. Während des Lockdowns entwickelten sich diese zu einem festen Bestandteil von Queer Augsburg und finden donnerstagsabendlich statt. Im Sommer 2020 waren die Treffen aufgrund der geltenden Infektionsschutzregeln auf zehn Personen begrenzt. Entsprechend schnell waren die Plätze vergeben. „Neben einer queeren Stadtführung, einem Stadtspaziergang und einem Pub-Crawl veranstalteten wir einen Spieleabend und Videospieleabend. Ein Picknick zum Augsburger Hohen Friedensfest und ein Improtheatertreffen waren kleine Highlights des Corona-Sommers letzten Jahres“, erinnert sich Paul. Die Freude sei groß, in den kommenden Wochen und Monaten wieder Präsenztreffen anzubieten und mit ihren Mitgliedern zu gestalten. Am 22.06. fängt es mit dem ersten Treffen in Präsenz wieder an.

Was plant Queer Augsburg in Zukunft?

“Wir planen weiter ausdifferenzierte Interessensgruppen wie Queer Augsburg Kultur, Queer Augsburg Sport, Queer Augsburg Liest, Queer Augsburg Students sowie eine fest etablierte queere Theatergruppe”, berichtet Paul.

Darüber hinaus arbeitet die Gruppe an Infoposts, welche die Community weiterbilden sollen. Themenschwerpunkte werden die verschiedenen sexuellen Orientierungen und Genderidentitäten des Regenbogens sein. Konkret soll es z.B. um trans*-inklusive Sprache, Neopronomomina und Microlabels gehen. “Damit wollen wir Bewusstsein füreinander schaffen und bewirken, dass wir besser aufeinander Acht geben”, sagt Paul. Die Gemeinschaft erhofft sich, dass sich Queer Augsburg so zu einem noch inklusiveren Safespace entwickeln wird.

Außerdem will sich Queer Augsburg mit fortschreitenden Lockerungen wieder in Präsenz treffen. “In den nächsten Monaten werden wir den Übergang zu persönlichen Treffen gestalten. Gleichzeitig wollen wir den digitalen Raum auch über die Pandemie hinaus beibehalten und ungefähr ein Drittel unserer Veranstaltungen weiterhin online durchführen.”

Der Christopher Street Day

Während Queer Augsburg eine Möglichkeit bietet, sich regelmäßig mit Menschen aus der Community zu vernetzen, findet das größte queere Fest, der Christopher Street Day, nur einmal im Jahr in Augsburg statt. Der CSD hat seinen Namen der allerersten Parade zu verdanken, bei der queere Menschen gefeiert wurden und gleichzeitig für ihre Rechte kämpften. Sie fand auf der Christopher Street in New York City am 28. Juni 1970 statt.

Die Geschichte dahinter begann in einem Szenenclub namens Stonewall Inn, der sich im New Yorker Stadtteil Greenwich Village in der Christopher Street befand. Die Polizei stürmte diesen in der Nacht zum 28. Juni 1969 und verhaftete viele queere Menschen aufgrund ihrer Sexualität und Geschlechtsidentität. Die darauf folgenden Proteste dauerten über sechs Tage an und es kam zu weiteren gewaltsamen Zusammenstößen mit Polizeibeamt:innen. Vor allem trans und Schwarze Menschen wehrten sich gegen die Ungerechtigkeit und führten den Widerstand an. Fünf Monate später starteten Aktivist:innen eine LGBTQ+ Bewegung unter dem Motto „Pride“. Die erste Parade fand genau ein Jahr nach dem Überfall in dem Club statt. Diese Ereignisse ebneten den Weg für die Gleichbehandlung und Anerkennung von queeren Menschen und werden jedes Jahr bei CSDs auf der ganzen Welt erinnert.

Eva Sitzberger ist Mitglied des Organisationsteams des CSD Vereins Augsburg und bereichtet von den Anfängen des CSDs in Augsburg: Der erste CSD kam im Jahr 1997/1998 (intern gibt es unterschiedliche Informationen) zustande, wobei er wegen wechselnden Organisator:innen über die Jahre einige Male ausfallen musste. Erst seit 2014 gibt es den Verein Christopher Street Day Augsburg e.V., welcher seither jedes Jahr einen CSD auf die Beine gestellt hat.

Genauso war es auch dieses Jahr, wenn auch wegen Corona etwas kleiner. Die Teilnehmer:innenanzahl war auf 200 Personen beschränkt, jedoch geht der CSD Verein von 300-500 aus, da sich Privatpersonen auch am Ende der Parade und am Rand anschließen konnten. 16 Initiativen waren vor Ort, unter anderem die Augsburger Aidshilfe, pia profamilia und verschiedene Parteien.

Das Organisationsteam des CSD Vereins hat aktuell 10-15 Mitglieder. Planungstreffen finden immer statt – im Winter und Frühling sogar bis zu zwei Mal die Woche, um schon den CSD im Sommer zu organisieren. Neben dem CSD kümmert sich der Verein noch um weitere Veranstaltungen, wie zum Beispiel um Aktionen am IDAHOBITA (Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Trans- & Asexuellenfeindlichkeit). Zudem wurde dieses Jahr die Veranstaltungsreihe „diver.see.ty 2021“ ins Leben gerufen. In diesem Rahmen gab es schon ein Argumentationstraining gegen Sexismus und Queerfeindlichkeit mit der Berliner Trainerin Wiebke Eltze. Ab Ende Juni findet einmal monatlich der Queergarten im Provino Biergarten statt, der einen Safe Space für ein Zusammenkommen von queeren Menschen im Biergarten bietet. Der erste Queergarten wird am 25. Juni 2021 stattfinden. Daneben ist in der Veranstaltungsreihe für die kommenden Monate noch mehr in Planung. Vielleicht sehen wir uns ja 🙂

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