Zwischen Verfolgung und Regenbogenparaden: Queersein im Jahr 2021

Im Juni ist Pride Month. Der wird weltweit gefeiert, auch in Augsburg (presstige berichtete). Im Vordergrund stehen oft Sichtbarkeit und Entertainment. Der Pride Month ist aber gleichzeitig hoch politisch. Die Situation der queeren Community hat sich vor allem in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Trotzdem werden queere Menschen in Teilen der Welt gesellschaftlich geächtet und verfolgt. In anderen Ländern sind Alltagsdiskriminierungen und Benachteiligungen die Regel. Auch in Augsburg kommt es immer wieder zu queerfeindlichen Zwischenfällen.

Dieser Artikel gehört zu unserer Crossmedia-Reihe, die in
Kooperation mit Kanal C stattfindet.

Der Pride Month geht auf die Stonewall Riots 1969 zurück. Während diesen ungeplanten Demonstrationen wehrten sich Mitglieder der queeren Community das erste Mal gegen ungerechtfertigte Polizeigewalt. Eine der Demonstrationen fand in der Szenenbar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street in New York City statt – sie gilt als Wendepunkt für die queere Community in den Vereinigten Staaten.

Weltweit gedenken jedes Jahr am letzten Sonntag des Juni Mitglieder der LGBTQ+ Community diesem Tag. Nach und nach weitete sich dieser Tag auf den ganzen Monat aus, der seitdem als Pride Month betitelt wird.

 

Heute soll im Pride Month nicht nur der Christopher Street Day (CSD) gefeiert werden, sondern Sichtbarkeit für nicht-heterosexuelle und nicht-cisgeschlechtliche Personen geschaffen werden. Daneben wird regelmäßig auf bestehende Benachteiligungen, die queere Personen auf der ganzen Welt erleben müssen, hingewiesen.

LGBTQ+ ist ein Synonym für queer. Die Begriffe umfassen alle Personen, die nicht heterosexuell sind oder die nicht cisgeschlechtlich sind. Für mehr Informationen über die Bedeutung dieser Begriffe hier klicken.

 

CSD Augsburg 2021 © Franziska Riesinger

Die Situation weltweit: Verbesserungen

Weltweit wurden queere Menschen in der Vergangenheit geächtet. Teilweise bestand diese Ungleichbehandlung schon seit Jahrhunderten, teilweise wurde sie erst mit der Christianisierung eingeführt. Im Römischen Reich und im alten Griechenland existierten zahlreiche literarische Werke, Gedichte und Abbildungen vom männlichen, homosexuellen Akt. Auch in islamisch geprägten Ländern wurde Homosexualität bis ins 18. Jahrhundert toleriert. Erst mit dem Einfluss der westlichen Nationen wurde auch hier Homosexualität pönalisiert.

Heute hat sich die Situation der queeren Community vor allem in Industrienationen und Südamerika gebessert. In 11 Nationen werden queere Menschen durch die Verfassung geschützt. Darunter befinden sich Mexiko, Portugal und Südafrika. Die Verfassung Südafrikas war die erste, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbot.

In 57 Ländern existiert heute ein weiterreichender Schutz. Dies stellen in Deutschland zum Beispiel Bundesgesetze dar, die die Diskriminierung von queeren Menschen verbieten. Neben Deutschland besteht dieser Schutz in den meisten EU-Nationen und auf den amerikanischen Kontinenten.

 

Daneben gibt es Länder wie die USA oder Argentinien, die die LGBTQ+ Community arbeitsrechtlich oder auf sonstige Weise partiell gesetzlich schützen.

Situation weltweit: Verfolgung

Auf der anderen Seite gibt es viele Länder, die nicht-heterosexuelle Orientierungen nicht schützen und strafrechtlich oder tatsächlich verfolgen.

Warum ist ein aktiver Schutz von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten überhaupt notwendig? Die Antwort ist simpel: Angehörige der Mehrheitsgesellschaft neigen dazu, Minderheiten zu unterdrücken, zu beleidigen und ungleich zu behandeln. Schon ein Blick in die Geschichte belegt dieses Argument: Religiöse Minderheiten wurden früher auch in Deutschland verfolgt und ermordet. Angebliche Hexen wurden noch bis ins 18. Jahrhundert hinein in Deutschland gefoltert und verbrannt. Dies gilt auch für andere EU-Mitgliedsstaaten und die USA (letzter Hexenprozess 1693).

Auch heute noch werden Minderheiten von der Mehrheitsgesellschaft benachteiligt. Migrantisch gelesene Menschen werden häufiger im Zug kontrolliert, Sexismus begegnet vielen Frauen alltäglich, sexuelle Minderheiten werden schlecht geredet, in einigen Teilen der Welt verfolgt.

In sechs Staaten werden Menschen, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, hingerichtet. In fünf weiteren Ländern sehen Gesetze dies vor. In 57 Ländern drohen lange Haftstrafen. In vielen weiteren Ländern liegt eine faktische Kriminalisierung von LGBTQ+ und systematische Diskriminierung vor.

 

Als queeres Paar drohen beispielsweise auf den Urlaubsinseln Jamaika oder den Malediven Haftstrafen, während das heterosexuelle Paar seine Liebe offen zeigen kann.

© ilga world
© ilga world

LGBTQ+ und die Parteien

Wie stehen Deutschlands Parteien zur queeren Community und ihren Rechten? Diese Frage hat sich Kat von Kanal C gestellt. Was Kat bei der Recherche herausgefunden hat, könnt ihr am Montag, dem 28. Juni 2021 ab 21:50 Uhr auf FM 93,4 oder bei Kanal C hier online hören.

Situation in Augsburg

In Deutschland sind queere Menschen im Vergleich zu anderen Ländern auf der Welt gut geschützt. Trotzdem bemängeln queere Menschen, Interessenverbände und Parteien immer wieder, dass noch vieles zu tun ist. So flammt immer wieder eine Debatte auf, die Sexualität grundrechtlich – also durch die Verfassung – schützen zu lassen.

In Augsburg gibt es mehrere Gruppen und Vereine, die Angebote für queere Menschen schaffen. So etwa die Gruppe Queer Augsburg oder Queerosaurus. Queere Bars oder Cafés fehlen in Augsburg. Ein erstes queeres Café soll mit dem „Café Queer“, das die Queeren Christ*innen in Zusammenarbeit mit dem moritzpunkt anbieten, dieses Jahr entstehen.

Queerfeindlichkeit ist ein Problem, das sich auch in Augsburg zeigt. Stefan Lindauer, Kandidat für die Bundestagswahl 2021 für Augsburg-Land und Aichach-Friedberg, ist immer wieder Zielscheibe für queerfeindliche Attacken gewesen. Auf Facebook wurde er immer wieder in Bezug auf seine Homosexualität beleidigt. Schon 2019 wurden Plakate von Lindauer verunstaltet: Mutmaßlich Rechtsradikale hatten sein Gesicht auf dem Plakat durchgestrichen und einen Aufkleber mit der Aufschrift „Homo-Propaganda stoppen“ darauf geklebt.[1]

Die Situation der queeren Community in Augsburg ist also nicht ideal. Es gibt noch einiges zu tun, bevor queere Menschen nicht mehr Angst haben müssen, Queerfeindlichkeit zu erleben. Diese Veränderung können wir nur gemeinsam erreichen. Jeder einzelne kann etwas dazu beitragen, dass sich die Situation von queeren Menschen verbessert – auch außerhalb des Pride Month.


[1] https://www.queer.de/detail.php?article_id=38977

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