Mit Kindern durchs Studium

In der großen Mensa voller Menschen, mit Mama in der Schlange, das Tablett schief in der Hand, stehe ich, und weiß gar nicht wohin ich als Erstes schauen soll. Neben all den Eindrücken nehme ich vor allem die Lautstärke in der Mensa wahr und wie schwer es ist, Mamas Worte zu hören. Aber ehrlich, so eine große Auswahl an Essen gibt es zuhause nicht. Also tauche ich den Löffel zufrieden zurück in mein Apfelmus. 15 Jahre später tauche ich meinen Löffel wieder in Apfelmus und bin mittlerweile selber für die enorme Lautstärke mitverantwortlich, allerdings in einer anderen Mensa. 

 

So war ich nicht als Erwachsene zum ersten Mal an der Uni essen, sondern durfte schon als Kind das Mensaessen genießen. Wie das Studieren mit Kindern aus der anderen Perspektive aussieht, erfahrt Ihr im Folgenden. 

Dieser Artikel ist der Erste unserer Themenwoche “Student:in – und was noch?”, in der wir Euch Studierende in einer besonderen Lebenssituation oder mit einem besonderen Engagement vorstellen möchten. In einer Kooperation mit der Augsburger Allgemeinen sind unsere Artikel auch dort online erschienen.

© Tamara Schmidtner

Um 6 Uhr aufstehen. Pünktlich um 8 Uhr den Sohn in den Kindergarten bringen. Schnell noch die Hausarbeit erledigen und hoffen, dass die Tochter während des zweistündigen Uniseminar durchschläft. Mittags um 12 Uhr geht es zurück zum Kindergarten, das ältere Kind einsammeln und zu dritt den Nachmittag verbringen. Abends kommt ihr Partner von der Arbeit, dann geht es für sie an den Schreibtisch zum Lernen.

So kann ein Tag bei Studentin Tamara Schmidtner und ihrer Familie aussehen. Die Studentin hat zwei Kinder. Sie sind 3 Jahre und 8 Monate alt. Schmidtner ist eine der 5,5 % Studierenden mit Kind, die laut einer Erhebung des Deutschen Studentenwerks aus dem Jahre 2016 an deutschen Hochschulen eingeschrieben sind.

Tamara studiert seit der Geburt ihres ersten Kindes 2018 an der Universität Augsburg. Ihr erstes Mastersemester sei ein Urlaubssemester gewesen, die Geburt des Kindes sei nur wenige Monate zurückgelegen, erzählt sie. Im Sommersemester 2019 ging es mit zwei Seminaren los. An ein Studium in Regelzeit, sei mit den Kindern nicht mehr zu denken, sagt sie. Unterstützung ermöglicht die Universität, indem sie flexible Studienmodelle (Urlaubssemester, Teilzeitstudium) anbietet. Vom Staat werden junge Eltern mit finanziellen Hilfen wie Bafög, Kindergeld und Elterngeld unterstützt. Sie schätze diese Hilfen sehr, sagt sie. Denn neben Studium und Arbeit, Kinder großzuziehen, sich um den Haushalt und um sich selber zu kümmern sei eine Herausforderung. Tamara bewerkstellige ihren Alltag vor allem durch gute Planung und Organisation, erzählt sie. Obwohl zu Beginn der Pandemie ihre Situation die „Hölle“ gewesen sei, da die Tagesmutter und andere Betreuungsangebote wegbrachen, habe ihr „Corona auch ein bisschen in die Karten gespielt“, sagt sie. Die Seminare könne sie mittlerweile mit der Tochter in der Wiege von zuhause aus besuchen. Geholfen habe auch der Umzug aufs Land, der die Unterstützung durch Familienmitglieder unter der Woche möglich mache, da ihr Lebensgefährte Vollzeit arbeite, sagt sie. „Betreuungstechnisch bin ich also gut versorgt“, fasst sie zusammen. Mittlerweile studiert die junge Mutter im sechsten Semester und freut sich über das Online Angebot. Sie erzählt: „Als im Wintersemester 2020 die Kleine zur Welt kam, habe ich dank des digitalen Semesters keine Auszeit genommen.“ 

"Ich bin effizienter und pragmatischer geworden. "
Tamara Schmidtner

Dies sagt Tamara auf die Frage, was sie durch das Muttersein für ihr Studium gelernt habe. Denn als Mutter stehe ihr für das Bearbeiten der universitären Inhalte häufig nur abgesteckte Zeitfenster zur Verfügung, in denen sie ihre Arbeiten erledigen muss. So kann sie schon zwei Stunden produktiv nutzen, in denen die Kinder von der Babysitterin betreut werden.

Um all den Aufgaben, mit den sich jungen Eltern konfrontiert sehen, gerecht zu werden wird an Hochschulen eingeschriebene Eltern ein breites Spektrum an Hilfsangeboten zur Seite gestellt. In Augsburg werden studentische Familien durch die Campus-Elterninitiative e.V. unterstützt, die unter anderem Krippenplätze zur Verfügung stellt. Des Weiteren stellt der Familienservice der Universität Augsburg Möglichkeiten der Kurzzeitbetreuung im Rahmen der „UniKinderGruppe“ während den Vorlesungen bereit. Weitere Angebote beinhalten Wickelräume, Stillmöglichkeiten und Ruheräume, sowie ein Eltern-Kind-Zimmer in der Bibliothek der Universität. Die Vernetzung studierender Eltern wird mithilfe von Elterntreffpunkten in Cafeterien und Mensen geleistet. Zusätzlich zu stationären Einrichtungen gibt es Beratungsangebote bezüglich des Stellens diverser Anträge, finanzieller Unterstützung aber auch psychologischer Beratung.

Dieses breitgefächerte Spektrum an Angeboten, empfinde sie, in der Theorie, als sehr gelungen, sagt Tamara. In der Realität habe sie sich selbst allerdings anderweitig organisieren müssen, erzählt sie: “Vielleicht habe ich einfach Pech gehabt, aber bei mir hat keines der Angebote funktioniert, da bereits alle Plätze in jeglichen Betreuungsangeboten vergeben waren.“ Deswegen wünsche sie sich, dass diese Angebote erweitert werden, sagt sie. Mutter und Studentin zu sein habe aber auch seine Vorteile, sagt Tamara. Verglichen mit einer Arbeitsstelle in Vollzeit, sei sie viel flexibler. So könne sie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Mit dem Kind im Arm zieht sie ihr Fazit: 

„Es ist schön Kinder und Kopf zu verbinden und Mama und Studentin zu sein“.
Tamara Schmidtner

Hinweis: Alle Interviews für die Artikel unserer Themenwoche wurden bereits im Juni dieses Jahres geführt.

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