Finanzielle Bildung für Frauen

ETF, Depot, Tagesgeldkonto – beim Thema Finanzen durchzublicken, fällt vielen Studis abseits der WiWi-Fakultät nicht leicht. Am 12. Mai veranstaltet das Börsenforum Augsburg einen Infoabend zum Thema Finanzen mit besonderer Zielgruppe. Denn “Girls Just Wanna Have Fun(ds)” richtet sich in erster Linie an Frauen, die sich bei diesem Thema einen Durchblick verschaffen möchten. Der Andrang war groß und die Plätze für den ersten Veranstaltungstermin nach wenigen Tagen vergeben. Grund genug für Presstige, mit der Organisatorin Louisa Henle zu sprechen. Sie ist für den Bereich Education beim Börsenforum verantwortlich.

Presstige: Was ist denn das Thema eurer Veranstaltung?

Louisa Henle: Bei uns geht es um finanzielle Bildung für Frauen. Also worauf müssen Frauen eigentlich achten – nicht nur beim Investieren, sondern auch bei Versicherung und Co. Was gibt es da zum Beispiel für spezielle Produkte für Frauen, die ja doch manchmal andere Probleme haben, beispielsweise geschlechtsspezifische Erkrankungen.

Und wie genau kann ich mir den Abend vorstellen? 

Louisa: Wir haben vor, das ein bisschen lockerer zu gestalten. Es gibt zum einen den fachlichen Teil, also Grundlagen: Was sind ETFs? Worauf muss ich beim Investieren achten? Aber auch spezifische Themen: Was kommt, wenn ich mal Kinder habe? Was hat das für Auswirkungen auf meine Rentenansprüche? Wie kann man da privat vorsorgen? Und es soll die Möglichkeit geben, dass die Teilnehmerinnen Fragen stellen können, die man normalerweise in einem gemischten Kurs nicht stellt, weil man sich vielleicht denkt “Das klingt jetzt doof” oder “Das wissen bestimmt schon alle” und man sich unsicher fühlt. Damit man hoffentlich nachher mit dem Gefühl rausgeht, dass Finanzen nichts Komisches und Unheilvolles sind, sondern einfach ein Thema, über das man sich normal unterhalten kann.

Louisa Henle ist im Vorstand des Börsenforums Augsburg © Linus Seemann

“Frauen sind weniger finanziell gebildet”. Das schreibt ihr auf der Veranstaltungsseite. Aber trotzdem scheint ja das Interesse da zu sein. Was denkst du, woher kommt diese Diskrepanz zwischen Interesse und Wissensstand? 

Louisa: Also ganz allgemein glaube ich, dass der Wissensstand “Finanzielle Bildung” in Deutschland und in der Welt sehr schlecht ist. Nicht nur bei Frauen sondern auch bei Männern. Bei Frauen spielen dann noch andere Gründe mit rein. Für mich fängt das schon mit den Vorbildern an. Auch bei mir war es ein relativ traditionelles Elternhaus, in dem sich der Vater um die Finanzen gekümmert hat. Als Frau wird man in diesem typischen “Männerthema” dann natürlich nicht selbstsicher. Christine Lagarde ist ein super Beispiel dafür, dass Frauen all das auch können, aber es gibt halt viel zu wenige davon. Beim Börsenforum ist es ja nicht anders. Ich bin da auch ziemlich alleine als Frau.

Ist es wichtiger, zuerst Bildung oder zuerst Selbstvertrauen zu vermitteln? Oder beides gleichzeitig?

Louisa: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich habe dazu neulich eine Studie gelesen. Da ging es genau darum, dass man Frauen zu ihrem Finanzwissen befragt hat und es gab die  Antwortoption “Weiß ich nicht”. Und es haben ganz viele Frauen “Weiß ich nicht” angekreuzt. Hat man die Option aber weggenommen, dann haben ganz viele Frauen plötzlich das Richtige angekreuzt, was ja dann wiederum darauf schließen lässt, dass es mehr am Selbstbewusstsein liegt.

Warum ist es für Frauen denn überhaupt wichtig, in Sachen Finanzen ihre eigene Chefin zu sein?

Louisa: Da kann man mehrere Perspektiven einnehmen. Zum einen bringt das unglaubliche persönliche Zufriedenheit, wenn man finanziell unabhängig ist. Also ich glaube, das ist schonmal der wichtigste Faktor an der ganzen Sache. Und auch, dass man die Möglichkeit hat, sich aus Partnerschaften zu lösen, die man nicht so toll findet, weil man dann nicht finanziell auf jemanden angewiesen ist. Aber das ist jetzt ein Grund, der von Männern abhängt. Unabhängig davon ist es ein sehr erstrebenswertes Ziel, finanzielle Freiheit zu haben. Wir Frauen haben im Leben einfach gewisse Herausforderungen wie Kinder kriegen und Ähnliches. Da können wir uns nicht darum drücken, es seie denn, wir kriegen keine, was natürlich auch eine Lösung ist. Aber wenn man Kinder kriegen möchte und gleichzeitig im Alter nicht auf seinen Mann angewiesen sein will, dann ist es eigentlich unerlässlich, sich mit Finanzen und finanzieller Unabhängigkeit auseinanderzusetzen. Sonst steht man irgendwann da, schaut auf seinen Rentenbescheid und wundert sich.

Bist du denn schon mit dem totalen Durchblick beim Thema Finanzen ins Studium gestartet? Oder war es eher ein Prozess, in dem du Selbstvertrauen aufgebaut hast?

Louisa: Es war definitiv ein Prozess. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich im ersten Semester schon direkt wusste, was ich tue. Für mich war das alles komplett neu. In der ersten Vorlesung wurde gefragt: “Wer von euch hat Aktien?” Da haben sich drei Hände ganz zögerlich gehoben – und meine war nicht dabei. Ich hatte keine Aktien. Aber ich dachte: Mensch, da muss doch irgendwas dran sein. Und so hat sich das dann entwickelt. Man lernt immer dazu

Hast du das Gefühl, zumindest in unserer Generation hat sich bei der finanziellen Bildung von Frauen schon etwas geändert?

Louisa: Auf jeden Fall. Ich glaube schon, dass in unserer Generation viel mehr Mädels langsam darauf kommen, dass es nicht mehr reicht, später einfach zu heiraten. Die Selbstständigkeit der Frauen wird besser und wir emanzipieren uns immer mehr – und dazu gehört auch die finanzielle Emanzipation: selber Geld verdienen, sein eigenes Vermögen anzulegen und zu vermehren ist meiner Meinung nach eine der letzten Stufen des Feminismus.

Was sind gute Quellen oder Adressen, wo sich Frauen finanziell bilden und  unabhängige und gute Infos holen können? 

Louisa: Also es gibt Finanztip und Finanzfluss, mit denen beschäftige ich mich sehr viel. Die haben Websites, YouTube-Kanäle, Instagramkanäle – die sind eigentlich überall. Beim Investieren gibt es nicht den ETF für Männer oder den ETF für Frauen. Da investierst du einfach, weil du ein Mensch bist und nicht, weil du spezielle Anlageprodukte brauchst. Bei Versicherungen sieht das anders aus, hier kann es durchaus Sinn machen, nach Geschlecht oder noch Orientierung zu unterscheiden . Sowohl fürs Investieren, als auch für allgemeine Themen rund um Geld sind Finanztip und Finanzfluss wirklich zwei gute Adressen.

Es gibt auch sogenannte Fin-Fluencer:innen (kurz für Finanz-Influencer:innen). Würdest du sagen, dass Social Media tatsächlich ein Mittel ist, um Frauen beim Thema Finanzen zu empowern?

Louisa: Ja, also ich glaube, das kann auf jeden Fall ein Mittel sein. Social Media ist so omnipräsent bei uns und vor allem junge Frauen treiben sich da rum. Deswegen glaube ich, das kann sehr viel bewirken, wenn man dort diesen Themenbereich abdeckt. Und ansonsten: in der Schule wär es halt super, wenn man da solche Themen einführen würde. Finanzbildung fände ich lang überfällig. Da kann man auch viel bewegen, wenn man schon in jungen Jahren ansetzt, bevor Social Media übernimmt. Das ist nämlich auch eine kritische Sache. Es gibt viele Finanz-Influencer, die dann eigenen Profit daraus schlagen wollen, besonders bei den Frauen. Wenn man nicht so gut informiert ist, dann lässt man sich auch eher was aufquatschen. Und da schlagen dann manchmal sogar Frauen Kapital aus dem Unwissen von anderen Frauen, was ich total absurd finde.

Börse und Finanzanlagen können gerade für Anfänger oftmals groß klingen. Was gibt es denn für Alternativen neben den Anlageformen an der Börse? Was könnten kleinere Einstiegsmöglichkeiten sein?

Louisa: Es gibt natürlich immer noch die klassischen Investmentfonds, also aktiv gemanagede Fonds. Da vertraust du halt jemand anderem dein Geld an. Aber der investiert es letztendlich natürlich auch wieder nur am Kapitalmarkt, je nachdem wie der Fonds aufgebaut ist. Außerdem gehen damit hohe Gebühren einher, weil der Fondmanager ja auch Geld verdienen möchte. Wenn man also nicht so viel Geld zur Verfügung hat, genau dann sind ETFs eigentlich das Richtige. Da kann man mit kleinen Beträgen einsteigen und sie sind – ich möchte nicht sagen “risikoarm” – aber dadurch, dass ETFs eben ein wirklich breites Band an Aktien abbilden, sind die schon wieder so diversifiziert, dass das Risiko deutlich sinkt im Vergleich zu einer Einzelaktie. Und somit ist das auch wenn man wenig Geld zur Verfügung hat eine gute Anlagestrategie. Gerade bei ETFs kannst du im Prinzip mit 1€-Beträgen einsteigen. Für den Einstieg ist das ok, langfristig empfehle ich das aber nicht, weil aus einem Euro wird nicht viel.

© maitree rimthong

Online nennt ihr euren Prozess ja “Finanzen aufräumen”. Kannst du uns eine Aufräum-Checkliste skizzieren? Wo beginne ich mit dem Zurechtrücken von großen schweren Dingen, und wo beginnt das feine Abstauben?

Louisa: Das ist ein schönes Bild! Ich bin dafür, dass man zuerst die Konten vereinfacht. Also: ein Girokonto, eine Kreditkarte fürs Ausland, ein Tagesgeldkonto für den Notgroschen und noch ein Depot zum Investieren. Meistens weiß man ja gar nicht, wofür man alles Geld ausgibt. Das ist aber sehr wichtig. Es gibt dafür auch tolle Tools – z.B. die Sparkassen-App, die hat einen Finanzplaner integriert. Das ist toll, denn dann braucht man sich gar nicht mehr selbst um ein Haushaltsbuch kümmern. Also: wenn man weiß, wo das Geld liegt und welche Ausgaben zu decken sind, dann kann man sich überlegen: Wie viel Geld kann ich investieren? Das ist die feine Abstaubarbeit – sich zu überlegen: Worin möchte ich investieren? Was sind meine Werte? Besonders wichtig ist vor allem: Notgroschen aufbauen, also dass man Geld auf der Seite hat, wenn z.B. mal das Auto oder die Waschmaschine kaputt gehen – damit man in solchen Fällen nicht ans Depot ran muss.

Wie läuft’s im Depot? Wie lange bleibt das Geld da? Was geht da rein, was geht da raus?

Louisa: Auf deinem Depot ist dein Investment. Mit einem Sparplan schiebst du einfach z.B. jeden Monat einen gewissen Betrag rüber und die ETFs werden automatisch gekauft. Bei dieser Strategie läuft das ganze Investieren einfach automatisch im Hintergrund. Und da sollte gelten: alles was du reinlegst, sollte schon langfristig auch drin bleiben, bevor du es rausnimmst.

Wenn ich so drüber nachdenke, dann sollte ich wohl auch dringend mal aufräumen. 

Louisa: Absolut, einfach mal loslegen, auch mit wenig Geld. Das ist eigentlich die Hauptsache: man muss dann nicht gleich das gesamte Sparbuch der Oma investieren. Anfangen mit 10 oder 20€ genügt – im schlimmsten Fall ist dann halt ne Pizza kaputt.

Auch eine Pizza ist zu betrauern… Du meintest ja, dass ihr als drei Frauen im Börsenforum der harte Kern seid. Wie kritisch siehst du es, dass euer Vorstand sehr männlich dominiert ist? Würdest du das gerne ändern? 

Louisa: Ich möchte nicht über meine männlichen Kollegen herziehen – ganz im Gegenteil, es sind wunderbare Männer. Bei diesem Projekt habe ich jetzt natürlich nicht mit Widerstand gerechnet. Aber so viel Wind in den Segeln zu haben, wie ich von meinen Kollegen erhalte, das ist schon echt toll. Natürlich würde ich gerne mehr Frauen im Börsenforum sehen, das wäre genial. Aber meine Jungs sind auch gut (lacht)

Emmi, eure Speakerin, ist Beraterin bei Tecis.”Beraterin” – ein Euphemismus für “Verkäuferin”, sie lebt vom Verkauf von Finanzprodukten. Jetzt möchte sie Bildung vermitteln. Ist da ein Interessenkonflikt?

Louisa: Ja, ich sehe den Punkt total. Man könnte natürlich meinen, da sei ein Konflikt. Und ganz aus der Welt reden kann man es nicht. Aber das übergeordnete Ziel des Abends ist ja Finanzbildung zu vermitteln. Sie kann das als eine der wenigen Personen in Augsburg gut – wir haben hier nicht so viele Frauen, die dieses fundierte Wissen haben, das brauchen wir. Sie kann es vermitteln, daher halte ich das für kein Problem.

Gerade die Finanzvertriebsbranche profitiert seit Jahrzehnten davon, dass die finanzielle Bildung in Deutschland schlecht ist. Sich von jemandem aus dieser Branche dann Bildung einzuholen hat einen Beigeschmack. Wie wollt ihr der Öffentlichkeit vermitteln, dass Emmi da wirklich nur in ihrer Rolle als Rednerin und nicht als Verkäuferin auftritt? 

Louisa: Bei diesem Abend wird nichts verkauft. Also das ist wirklich ein reiner Informationsabend. Da liegt jetzt vielleicht dieses Bild der Kaffeefahrt nahe, wo man am Ende mit 5 Tupperdosen rausläuft. Das ist definitiv nicht unser Ziel. Das Event wird immer noch vom Börsenforum organisiert, von mir geplant, ich bin Schirmherrin dieser Sache. Bei mir läuft nachher niemand mit 10 Angeboten von Emmi raus. Ich garantiere, das wird nicht passieren. Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Wir sind nicht auf Profit von irgendjemand oder irgendetwas aus. Wir wollen einfach nur dieses Thema in die Welt raustragen.

Zum Abschluss: Nenn doch mal drei Punkte, die du dir von der Veranstaltung erhoffst.  

Louisa: Punkt Nummer 1: Ich erhoffe mir, dass die Mädels nachher mit viel mehr Wissen, aber auch viel mehr Fragen rausgehen als sie reingekommen sind. Das sie wirklich Denkanstöße haben und die Motivation haben, selbst daran weiterzuarbeiten, selbstständig recherchieren und eventuell irgendwann dann sogar mal anfangen zu investieren. Das ist der wichtigste Punkt. Also das fachliche Wissen. Und selbstverständlich spielt da das Persönliche mit rein. Dass das Thema Finanzen einfach den Schrecken verliert, den es vielleicht noch hat für manche Frauen. Das sind die zwei wichtigsten Punkte. Und ganz nebenbei würde ich mich natürlich tierisch freuen, wenn noch ein paar Frauen ins Börsenforum kommen, weil sie die Initiative gut finden und denken, dass sie sich da gerne einbringen würden.

Der Termin am 12. 5 ist bereits ausgebucht. Für den zweiten Termin am 19.5 gibt es allerdings noch ein paar weniger Karten unter https://www.boersenforum-augsburg.de/event/girls-just-wanna-have-funds-termin-2/

Schreibe einen Kommentar