Kommentar zum Interview: Finanzielle Bildung für Frauen

Link zum Interview: Finanzielle Bildung für Frauen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um einen Kommentar, der die persönliche Meinung des Autors widerspiegelt.

Das Börsenforum Augsburg hat sich mit der Veranstaltung „Girls just wanna have Fun(ds)!“ ein nobles Ziel gesetzt. Aber den wahren Verliererinnen unserer patriarchalen Strukturen hilft ein Börsen-Crash-Kurs herzlich wenig. Während die zukünftigen Aktionärinnen Cocktails schlürfen und sich ihre manikürten Hände am Fingerfood fettig machen – praktischerweise gleich in den Räumlichkeiten der tecis Finanzdienstleistungen AG – bücken sich draußen Millionen Frauen beim Pfandflaschensammeln, um ihre kümmerliche Rente aufzubessern. Und das deutlich öfter als Männer, denn Armut ist weiblich. Henle bezeichnete im Interview den Aktienhandel als „eine der letzten Stufen des Feminismus“. Ein fragwürdiges Zitat, vergisst sie dabei anscheinend völlig, dass für viele ärmere Frauen die ersten Stufen noch lange nicht genommen sind.

Aber ein Börsenforum interessiert sich natürlich nur für den reichen und schönen Teil der Gesellschaft, schließlich können die Konzerne, die hinter dieser Organisation stehen, mit armen Menschen kein Geld verdienen. Neben der bereits angesprochenen tecis Finanzdienstleistungen AG finanzieren die „gemeinnützige“ Vereinsarbeit auch noch Firmen wie die bei Mietervereinen verhasste Patrizia AG, welche durch ihre Spekulationen auf Wohnraum erheblich zur schlechten finanziellen Lage von Frauen im Alter beiträgt. Am Dachverband bvh beteiligen sich sogar so sympathische Unternehmen wie Blackrock oder das skandalträchtige Ernst & Young. Wer also denkt, eine Organisation wie das Börsenforum Augsburg verfolgt aufrichtig gemeinnützige Interessen, täuscht sich. Es geht einzig und allein um eines: die Anhäufung von Kapital.

Unter diesem Dogma ist eine neue Spießigkeit erwachsen, in der ein Viertel aller Erstwählenden ihr Kreuzchen bei der konservativen FDP setzt und anschließend ihre Freizeit damit verbringt, sich um das eigene Geld zu kümmern. Okay, wer drauf steht, ich habe auch komische Hobbys. Aber wenigstens schreibe ich mir dabei nicht groß „Feminismus“ auf die Flagge.

Mehr als ein auf-die-Flagge-schreiben können die Finanzhaie Augsburg e.V. aber nicht leisten, denn neoliberale Spießigkeit und emanzipatorischer Feminismus passen nicht zusammen. Das zeigt ein weiteres Top-Zitat von Henle: „Wir Frauen haben im Leben einfach gewisse Herausforderungen wie Kinder kriegen und Ähnliches.“. Autsch! Die Aufzählung „Herausforderungen für Frauen“ ist sehr lang, und „Kinder kriegen“ an die erste und einzige Stelle zu setzen schmerzt (Waren die zwei Lebensfragen einer Frau nicht was sie anziehen und was sie kochen soll?). Aber unsere kleinen Aktienzocker:innen denken, Kinder kriegen ist die allerwichtigste Herausforderung für eine Frau, und daher behandeln sie das Thema „Investieren mit Schwangerschaft und Kind“ auch in einer Veranstaltung, die ausschließlich von Frauen besucht werden darf. Warum sollten sich Männer auch schon dafür interessieren? In einen Porsche passt schließlich kein Kindersitz.

Liebe Jungs vom Börsenforum Augsburg – ein Blick in euer Team rechtfertigt das generische Maskulinum: Wenn euch die Emanzipation von Frauen durch finanzielle Bildung wirklich so am Herzen liegt, dann spart euch doch den Champagner-Feminismus und geht in die völlig überfüllten Frauenhäuser. Eure sexy Aktien kann sich dort niemand leisten, aber Schulungen zu Budgetierung oder den Grundlagen zum Online-Banking tragen weit mehr zur Gleichstellung aller Geschlechter bei, als eine unter dem Deckmantel der Emanzipation durchgeführte Werbeveranstaltung.

4 thoughts on “Kommentar zum Interview: Finanzielle Bildung für Frauen”

  1. Hahahaha selten so einen großen Bullshit gelesen! Man hört einfach die verbitterte und völlig Vorurteilsbelastete Meinung eines Sozialwissenschaftlers, der davon aus geht, dass alle BWLer = Wolf of wallstreet sind. Anstatt sich mal die Frage zu stellen in wie fern Finanzbildung über einen ehrenamtlichen Verein zu einer Reduzierung der Altersamut führt, wird ein Klischee nach dem anderen runtergeleiert nur um sich dann selbst in 40 Jahren darüber zu beschweren, warum man sich nicht früher mit dem Thema Vermögensaufbau und Altersvorsorge beschäftigt hat. Die sonst so für Meinungsfreiheit einstehende(n) Linke(n) geben sich hier überaus konservativ und engstirnig. Meinungspluralismus? Fehlanzeige!

    1. Lieber Simon,

      es wirkt so, als hättest du nicht nur selten so einen großen Bullshit gelesen wie meinen Kommentar, sondern als hättest du in deinem Leben allgemein noch nicht viel gelesen. Sonst kann ich mir deine zahlreichen Rechtschreib- und Grammatikfehler nicht erklären.

      Es ist lieb, dass du dir um meine finanzielle Situation in 40 Jahren Sorgen machst. Aber sei beruhigt: Mit Mitte 60 gibt es deutlich interessantere Dinge, über die ich mich beschweren kann, als nur Geld.

      Zu deiner Kritik: In meinem Kommentar schreibe ich, dass ein Verein, der Wissen über Aktienhandel vermitteln möchte (oder wie in eurem Fall, Finanzberatungsunternehmen Kund:innen vermitteln will), armen Menschen nicht helfen kann. Das liegt in der Natur der Sache. Arme Menschen haben nicht die von Henle angesprochenen 10 oder 20 Euro im Monat für irgendwelche EFTs – sie müssen sich von dem Geld essen kaufen. Was bringt ihnen dann Wissen über Aktienhandel? Nichts!

      Abschließend habe ich noch eine Frage zu deiner Aussage: Inwiefern schränkt ein – in deinen Augen konservativer und engstirniger – Kommentar den Meinungspluralismus ein? Kannst du das bitte erläutern?

      Besten Dank,
      Dein Andi

  2. Natürlich helfen die Vorträge den “wahren Verlieren der patriarchalen Strukturen” nichts. Jede*r Studierende ist bereits privilegiert, alleine ein Studium wahrnehmen zu dürfen.
    Das ändert aber nichts daran, dass ein Verein von Studierenden für Studierende genau sich an seine Zielgruppe, nämlich Studierende, richtet – da verstehe ich den Kritikpunkt wenig.
    Dass das Börsenforum männerdominiert ist, liegt wohl daran, dass sich wohl auch hauptsächlich Männer für diese Themen interessieren, was wohl auch genau der Grund ist, warum solche Vorträge explizit für Frauen angeboten werden. Vielleicht entdecken ja manche das Thema für sich und engagieren sich danach auch im Verein. Da finde Aussagen wie “eine unter dem Deckmantel der Emanzipation durchgeführte Werbeveranstaltung” schon sehr kritisch – da die Veranstaltung ja genau dem entgegenwirkt, was du kritisierst.
    Und dass du dir als Mann anmaßt, ein Zitat von Henle, was über das Kinderkriegen geht, mit “Autsch” zu bezeichnen, grenzt für mich als Frau an Sexismus.

    1. Vielen Dank für deinen Kommentar Lisa!

      Genau diesen Auftrag, den sich das Börsenforum gibt – sich für die Priviligiertesten unter den Priviligierten einzusetzen – kritisiere ich. Die Veranstaltung “Girls just wanna have Fun(ds)!” wirkt dem nicht entgegen. Ein Börsenforum kann überhaupt nichts leisten, was dem entgegenwirkt. Es kann nur dabei helfen, die Reichen noch reicher zu machen.

      Meine Abschlussbemerkung zur Werbeveranstaltung bezog sich auf den Teil des Interviews, der sich über die Rolle der tecis Finanzdienstleistungen AG bei der Veranstaltung dreht. Leider wollten Henle und die beiden Autor:innen von presstige nicht, dass dieser Abschnitt des Gesprächs in der vollen Länge veröffentlicht wird. Ich beschloss mich begründet dazu, den Satz nicht abzuändern.

      Du findest es sexistisch, ihr Zitat zum Kinder kriegen als Mann zu kritisieren. Was hat denn mein Geschlecht damit zu tun? “Kinder kriegen und Ähnliches” ist in meinen Augen nicht eine derart wichtige Herausforderungen für Frauen, dass man bei der Aufzählung gleich auf die zahlreichen anderen Herausforderungen verzichten muss. (Bei der Gelegenheit frage ich mich auch: Was ist denn so “ähnlich” wie Kinder kriegen?)

      Das Interview ist autorisiert; der Satz ist Henle also nicht einfach nur rausgerutscht, sie wollte dieses Statement bewusst so setzen. Für mich zeigt das Zitat gut, dass in der Finanzsszene traditionale Rollenbilder dominieren – auch wenn man sich oberflächlich emanzipatorisch darstellen möchte.

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