Maskenpflicht an der Uni – Ist das noch zeitgemäß?

Pandemiemüde – dieses Wort wurde gerne benutzt, um zu beschreiben, dass die Deutschen nach jahrelangen Einschränkungen wieder zum normalen Alltag zurückkehren wollen. Ein Alltag ohne Testpflicht, ohne den Impfnachweis vorlegen zu müssen und ohne Masken im Supermarkt. An den meisten bayerischen Universitäten gilt die Maskenpflicht jedoch weiterhin. An der Uni Augsburg bleibt die Kritik daran nicht aus.

Offener Brief gegen die Maskenpflicht

Studierende und Beschäftigte der Uni Augsburg haben einen offenen Brief an die Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel formuliert. Darin monieren sie die FFP2-Maskenpflicht in universitären Räumen als unverhältnismäßig. Ins Feld führen sie sowohl gesundheitliche als auch rechtliche Bedenken. Die empfohlene Tragedauer von maximal 75 Minuten werde in vielen Vorlesungen um ein vielfaches überschritten. Auch die Pausen von der Maske von 30 Minuten könne beim schnellen Hörsaalwechsel kaum sichergestellt werden.

Die Initatior:innen sagen auch, dass die Universität diese Richtlinie gar nicht treffen durfte. Zuständig sei der Bayerische Landtag. Stichwort: Hotspot-Regelung. Schließlich spricht der Brief das Offenkundige an: In der Universität muss FFP2-Maske getragen werden. In den Geschäften des täglichen Bedarfs wie Supermärkten oder beim Feiern in der Bar und im Club kann jedoch jeder ohne Maske rein. Da stelle sich die Frage: Wie effektiv ist ein Maskengebot an der Universität? Wird dadurch nicht nur das Leben der Studierenden erschwert? Oder kann die Vorschrift potentielle Ansteckungen effektiv vermeiden?

Nico Rakiecki studiert an der Universität Augsburg und ist Mitinitiator des offenen Briefs. Der Brief sei aus der Mitte der Studierenden und Beschäftigten der Universität formuliert worden, berichtet er. “Ich bezweifle aber, dass die Universität ihren Kurs ändern wird”, sagt Nico. “Ich glaube aber, dass es nicht schadet, wenn dem Präsidium bewusst ist, dass Leute mit der Maskenpflicht unzufrieden sind”. “Knapp über 200 Leute haben unterschrieben”, sagt Nico. Eine Reaktion der Universitätsleitung sei jedoch ausgeblieben. Eine Maskenpflicht lehne er im Allgemeinen ab, sagt er. “Wir diskutieren ja auch nicht, ob wir im Supermarkt eine FFP2- oder OP-Maskenpflicht einführen”, fügt Nico hinzu. Auch sei eine Pflicht zum Masketragen im Club mit einer Maskenpflicht in der Universität nicht vergleichbar. “Ich habe kein explizites Recht auf einen Clubbesuch. Aber das Recht auf freie Bildung und Wissenschaft ist besonders geschützt”, sagt er. Über die Situation von vulnerablen Gruppen habe er sich auch Gedanken gemacht. “Der Anteil von Risikogruppenangehörigen an der Universität ist vergleichbar oder sogar geringer”, sagt Nico. Der Anteil sei vermutlich nicht höher als in der Gesamtgesellschaft. 

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Was die Universität zur Maskenpflicht sagt

Die Maskenpflicht ist klar geregelt: An festen Sitz- und Stehplätzen in Gebäuden kann bei Wahrung eines Mindestabstands von 1,5 Metern auf die Maske verzichtet werden. Ansonsten muss sie in allen Gebäuden getragen werden. Die Universität erklärt ihre Entscheidung in einem Statement gegenüber Presstige so: “Um Präsenzlehre, den sozialen Austausch und ein vielfältiges Campusleben zu ermöglichen, unterstützen wir weiterhin eine Kultur der gegenseitigen Rücksichtnahme, insbesondere zum Schutz der Gesundheit von Studierenden und Beschäftigten.” Die Maskenpflicht in bisheriger Form sei hierfür eine wichtige Komponente, unter anderem da an Universitäten – im Gegensatz zu Schulen – ein ständiger Wechsel der Räumlichkeiten und Lerngruppen bestände. Die Universität betont außerdem, dass der Besuch von Lehrveranstaltungen im Vergleich zu Bars und Clubs nicht optional sei. Deshalb seien sichere Bedingungen vor allem für vulnerable Studierende hier besonders wichtig. Die Universität begründet die Maskenpflicht auf den einheitlichen Basishygieneempfehlungen aller bayerischen Hochschulen. Im letzten Absatz des Statements heißt es: “Gleichzeitig überprüfen wir kontinuierlich, ob die aktuellen Maßnahmen noch angemessen sind.”

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Fremdschutz vor Selbstbestimmung?

Die Inzidenzen sinken, immer mehr Menschen sind geimpft. Damit besteht für jede:n ein geringeres Risiko, an Corona ernsthaft zu erkranken. Deswegen hat die Bundesregierung auch das Infektionsschutzgesetz auslaufen lassen. Maske tragen ist jetzt freiwillig. Viele Menschen freuen sich, fühlten sie sich doch von der Pflicht eingeengt. Trotzdem gibt es auch Punkte, die für ein weiteres Tragen sprechen.

Die Pandemie ist nicht vorbei. Die Gesundheitsminister:innen der Länder warnen jetzt schon vor einer drohenden Herbstwelle. Macht es da nicht Sinn, zumindest weiterhin medizinische Masken zu tragen? Wir müssen auch an vulnerable Gruppen in unserer Gesellschaft denken. Ältere und Menschen mit Vorerkrankung müssen einen besonders schweren Verlauf der Infektion fürchten. Dazu kommen Long-Covid-Symptome, die auch gesunde Menschen aufweisen: Schwindel, schnelle Anstrengung und Erschöpfung. Da wird teilweise das 30-minütige Telefonat zur Herausforderung. Diese Gruppen treffen wir überall an: in Läden, in Restaurants und an der Universität. Auf ältere Menschen kann man achten. Kranken Menschen sieht man ihre Erkrankung aber nicht immer an. Schon hier ist Masketragen aus einem Gefühl der Verantwortung und gegenseitiger Rücksichtnahme heraus sinnvoll. Eine medizinische Maske könnte hier ein guter Kompromiss sein, senkt sie das Ansteckungsrisiko doch um bis zu 90 Prozent.

Gerichtsurteile zur Maskenpflicht

In Hochzeiten der Pandemie haben Bund und Länder in Absprache eine Maskenpflicht in öffentlichen Einrichtungen und Geschäften beschlossen. Ihre Zuständigkeit ergibt sich dabei aus der direkten demokratischen Legitimation, die die Deutschen in Wahlen ausüben. Wie sieht es aber an einer Universität aus? Die Präsidentin der Uni Augsburg wurde zwar auch gewählt, aber nicht von den Studierenden. Allerdings übt sie das Hausrecht an der Universität aus. Sie darf auf dieser Grundlage Gebote und Verbote erlassen. Auch eine Maskenpflicht sei davon grundsätzlich erfasst urteilt das Verwaltungsgericht Gießen im Mai 2022.

Eine zweite Hürde bleibt: Die Universität als staatliche Einrichtung darf die Grundrechte ihrer Angehörigen nicht ohne gute Gründe einschränken. Das Tragen von Masken schränkt die Allgemeine Handlungspflicht aus Art. 2 Absatz 1 Grundgesetz ein. Aber auch hier sagt das Verwaltungsgericht Marburg: alles okay. Die Maskenpflicht schütze Studierende und Mitarbeiter:innen der Universität und dürfe daher auch in Art. 2 Grundgesetz eingreifen.

Studentische Perspektive

Ethisch und rechtlich spricht einiges für das Tragen von Masken. Wie aber stehen die Augsburger Studierenden dazu? Eine kurze Umfrage auf dem Campus zeigt: Die Meinungen gehen auseinander. Manche Studierenden fühlen sich durch die Maske sicherer – schließlich verbringe man Vorlesungen auf engem Raum mit einer Vielzahl fremder Menschen. Andere empfinden die Maskenpflicht zwar als nerviges, aber notwendiges Übel. Ein Student sagt: “Es ist schwierig, dass es überall anders geregelt ist. Ich finde es aber wichtig, dass wir Maske tragen”. An der Hochschule Augsburg herrsche beispielsweise keine Maskenpflicht, sagt eine andere Studentin. Auch eine transparentere Begründung der Maßnahmen fänden einige Studierende wünschenswert. 

Kritische Stimmen gibt es auch. Eine Jurastudentin erzählt: “Wenn ich die FFP2-Maske aufhabe, ist Jura mein kleinstes Problem. Bei uns im Vorlesungssaal ist sehr sehr warm”. Wenn schon Maskenpflicht, dann bitte mit einer medizinischen Maske, sagt sie. Mehrere Studierende argumentieren zudem, dass die Maskenpflicht in Bars, Cafés und Clubs weggefallen ist. Warum sie trotzdem an der Universität Maske tragen müssen, verstünden sie nicht.

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Die Diskussion über die Maskenpflicht bleibt kontrovers. Befürworter und Gegner haben schlagkräftige Argumente. Niemand möchte vulnerable Menschen in Gefahr bringen, doch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Maskenpflicht speziell an Universitäten bleibt bestehen. Ob es außerdem zwingend FFP2-Masken sein müssen oder ob bei den gegenwärtigen Inzidenzen medizinische Masken nicht ausreichend wären, ist ebenfalls strittig.

Wenn allerdings eine Maskenpflicht für Studierende und Angestellte der Universität gilt, müssen sich alle daran halten. Dazu gehören auch Dozierende und die Universitätsleitung. Da wundert es schon, wenn die Präsidentin der Universität zusammen mit Gästen im Foyer der Juristischen Fakultät ohne Maske ins Gespräch vertieft ist. Eine Vorbildwirkung für Studierende, die den ganzen Tag mit Maske im Hörsaal sitzen, bleibt da aus. Es stimmt wohl, was gesagt wird: Die Menschen werden pandemiemüde. Das bleibt auch bei Dozierenden nicht aus.

Quellen

https://www.tagesschau.de/inland/corona-herbst-vorbereitungen-101.html

https://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/OP-und-FFP2-Masken-Was-ist-der-Unterschied,schutzmasken150.html

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-giessen-3l99822gi-maskenpflicht-uni-marburg-hausrecht-rechtsgrundlage-corona-rechtmaessig/

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-giessen-3l99822gi-maskenpflicht-uni-marburg-hausrecht-rechtsgrundlage-corona-rechtmaessig/

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