Freundtäuschung

Enttäuschung riecht für mich nach Waschmittel, Hollisterparfüm, Balea-Duschgel und Karton. Sie hat braune Haare, lange Beine und trägt Brille. Diese Enttäuschung war mal meine beste Freundin, jetzt ist sie nur noch eine Bekannte, die ich manchmal auf Hausparties treffe, der ich ein kurzes Hallo zuwerfe und mich dann wieder zum Bier Pong Tisch drehe.

Ich habe sie in der Schule kennengelernt, im Physikunterricht. Wir waren nur drei Mädels in dem Kurs und sie war die Einzige die ich kannte. Von da an hingen wir ständig ab, zogen nach unserem Abitur sogar zusammen.

Dann wurde irgendwie alles scheiße. Es fing mit Streitigkeiten über den Platz im Bad und dem Putzplan an und endete mit meinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung. Die ich sie zu dem Zeitpunkt eh nur noch verlassen habe sehen. Das Bild von ihr mit ihrem großen grauen Rucksack auf dem Rücken, wie sie durch die Tür ging, wie sie durch die Tür hinausgeht hat sich sinnbildlich für die ganze Situation in mein Hirn gebrannt.

Image by Gordon Johnson from Pixabay

Nichts tut so sehr weh, wie die beste Freundin zu verlieren. Wem erzähle ich von dem Jungen, den ich letzte Woche geküsst habe? Wem erzähle ich von meinem Date? Wem erzähle ich, dass der erste Junge, in den ich jemals verknallt war, mir wieder geschrieben hat? Wem erzähle ich von doofen Dozenten an der Uni? Wem erzähle ich von einem schlechten Tag? Eigentlich ihr. Aber jetzt ist die fort.

Keine gemeinsamen Filmabende, Shoppingtrips, Museumsbesuche, Urlaube mehr. Irgendwie auf einmal keine Zukunft mehr. Aber am meisten weh getan hat ihre Annahme ich stünde auf ihren Freund. Und ja ich war eifersüchtig. Aber nein nicht auf sie.

Sondern auf ihn.

Er durfte andauernd Zeit mit ihr verbringen, während für mich nicht einmal mehr Zeit für gemeinsames essen daheim übrig war. Ich wollte nicht ihn, ich wollte einfach nur sie wieder haben. Und ich war so glücklich für sie, weil sie endlich glücklich war, aber sie konnte es einfach nicht sehen. Wollte es vielleicht auch nicht sehen. Selbstverständlich war nicht sie alleine an allem Schuld, zu einer Freundschaft, einem Streit gehören immer zwei. Wenn ich mir heute unsere Whatsapp-Chats durchlese, war ich schon auch echt ne ziemlich dumme Ziege. Aber ich war traurig und verletzt und wütend und gekränkt.

Image by Gordon Johnson from Pixabay

Damals hat mir einfach nur alles weh getan. Mein Kopf hat weh getan, weil die Gedanken rasten. Meine Arme haben weh getan, weil ich ihre Umarmungen vermisste. Mein Bauch hat weh getan, weil ich jede einzelne getroffene Entscheidung hundertmal überdachte. Mein Herz hat weh getan, weil ich sie trotz allem lieb hatte. Meine Augen haben weh getan, weil ich geweint hatte.

Aber eben hatte. Vergangenheit. Mittlerweile habe ich neue Freunde, denen ich von meinen Dates, von dem ersten Jungen, in den ich je verknallt war, von doofen Dozenten und schlechten Tagen erzähle. Und eine neue Mitbewohnerin mit der ich mich nicht über den Putzplan streiten muss.

Hinter der Geschichte:

Der vorliegende Artikel ist Teil des CaMeTa Staffellaufs. Zwischen dem 23. Januar und 12. Februar veröffentlichen unterschiedliche Campusmedien aus ganz Deutschland Beiträge zum Thema (Ent-)täuschung.

Presstige ist mit dabei und gibt den Staffelstab nun weiter an das Campusradio aus Oldenburg. Alle weiteren Infos zum Staffellauf findet ihr auf unserem Instagram Profil:  @presstige_aux 

Schreibe einen Kommentar