Love is in the App

Wie verabreden sich junge Leute in Augsburg?

Du bist Single? Damit bist du in Augsburg definitiv nicht allein. Wie aus einem Artikel der Augsburger Allgemeine vom Anfang diesen Jahres hervorgeht, zählen wir zu den Top 5 Singlestädten in Deutschland. Nur in Regensburg, Erlangen, Leipzig und Nürnberg leben noch mehr Ledige. Junge Menschen sind dabei besonders häufig single. So zeigt eine Studie aus 2020, dass jede:r Zweite zwischen 18 und 29 Jahren partnerlos ist. Es überrascht daher nicht, dass Dating-Apps wie Tinder, Bumble, Hinge und Co. in dieser Altersgruppe sehr beliebt sind. Bis zu 80% tummeln sich schätzungsweise auf digitalen Dating-Plattformen. Zahlen wie diese veranlassten die FAZ dazu, mit der Frage zu titeln, ob junge Menschen und Studenten analoges flirten nicht sogar schon verlernt hätten.

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Welche Erfahrungen haben Student:innen in Augsburg mit Dating-Apps gemacht?

Presstige hat auf dem Augsburger Uni Campus nachgefragt, und tatsächlich haben die meisten schon Erfahrungen mit Online-Dating gemacht. So wie Marie (Name von der Redaktion geändert). Sie studiert BWL und hat schon vor ihrem Studium Dating-Apps benutzt: „Ich war auf vielen verschiedenen Apps, aber mehr als ein bis zwei Dates wurden es nie. In der Regel gab es dann nicht mal eine Erklärung, sondern ich wurde einfach geghostet. Einmal hatte ich sogar schon ein Date mit jemandem ausgemacht und an dem Tag hat er sich plötzlich nicht mehr gemeldet. Eine Absage oder Erklärung kam nie.“ So etwas kommt oft vor, ganz besonders, wenn man sich über eine App kennengelernt hat. Die gefühlte Unverbindlichkeit und die schnelle Ersetzbarkeit durch das große ”Swipe-Angebot“ scheinen es vielen einfacher zu machen, simple Anstandsregeln über den Haufen zu werfen. Trotzdem sind die Onlineangebote aus unserem Datingalltag nicht mehr wegzudenken und oft scheinen sie fast alternativlos. „Ich komme halt vom Dorf, you know?“, sagt Marie. Denn wer nicht in einer Stadt aufwächst, hat von vornherein ein begrenzteres Angebot. Dating-Apps bieten hier – aber auch generell – eine gute Gelegenheit, auch mal Leuten außerhalb seiner gewohnten sozialen Bubble zu begegnen.

Online-Dating vereinfacht Personen aus der LGBTQ+ Community das Kennenlernen

Für Marie gibt es noch einen weiteren Grund, warum sie gerne auf Onlineangebote zurückgreift: Sie ist queer. Denn sowohl die klassischen Apps wie Tinder und Bumble als auch Angebote speziell für die LGBTQ+ Community wie Grindr und HER können queeren Personen das Kennenlernen erleichtern. Luna (Name von der Redaktion geändert) kann diese Schwierigkeiten beim Daten als queere Person bestätigen. Sie interessiert sich ausschließlich für Frauen und meint: „Während heterosexuelle Personen sich normal recht sicher sein können, dass die ’’Person of Interest“ die passende Sexualität hat, gehe ich eigentlich immer davon aus, dass die Frau mir gegenüber hetero ist. Ich würde mich also nur trauen, sie anzusprechen, wenn sie mir sehr eindeutige Signale sendet.“ Aktuell lernt sie potenzielle (Date)Partnerinnen am ehesten über Social Media oder queere Gruppen auf WhatsApp kennen. „Mir wäre es natürlich lieber, jemanden einfach im Alltag zu treffen und kennenzulernen, aber das ist eben nicht so einfach.“ Dating-Apps hat Luna zwar bisher noch nicht ausprobiert, will es aber für die Zukunft  nicht ausschließen. Schließlich gibt es ja auch Paare, die sich auf einer App getroffen haben und nun glücklich zusammen sind. Rudolf zum Beispiel (Name von der Redaktion geändert). Er studiert Jura und hat seinen Partner über Tinder kennengelernt. Allerdings hat er ihn sich nicht wirklich selbst ’’ertindert“. „Es war ehrlich gesagt eher aus Langeweile heraus. Ich war mit meinem Bruder bei Freunden. Zum Spaß haben wir uns dann alle Tinder heruntergeladen und dann das Handy der Person nebenan gegeben.“ So etwas ist nichts ungewöhnliches. Dating-Apps werden nicht nur zum ernsthaften Daten verwendet, sondern auch einfach zum Zeitvertreib und als eine Art soziales Spiel, Swipen mit den Freunden. Inzwischen gibt es auch eine App, die sich genau das zum Geschäftsmodell gemacht hat.

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Blindmate - die Dating-App zum füreinander Swipen

Bei Blindmate wird nämlich nicht für sich selbst nach Matches gesucht, stattdessen lässt man sich von seinen besten Freund:innen verkuppeln. Diese erstellen einem das Profil, wodurch dieses im Gegensatz zum Standard Dating-App Profil authentisch, ehrlich und auch ein bisschen lustig sein soll. Dazu beantworten  die Freund:innen Fragen, mit denen dann Charaktereigenschaften wie ’’sportlich“,’’romantisch“ oder ’’verpeilt“ berechnet werden. Danach gehen sie auf die Suche nach passenden Matches. Ist jemand geeignetes gefunden, entscheiden im nächsten Schritt wiederum die Freund:innen des potentiellen Gegenstücks, ob auch wirklich ein Match zustande kommt. Ein Foto vom jeweils anderen bekommen die ’’gematchten“ aber immer noch nicht. Erstmal wird ein sogenannter ’’Blindchat“ eröffnet, in dem man sich erstmal kennenlernen kann, bevor man entscheidet das Profil gegenseitig zu teilen.

Damit will die App ein Datingerlebnis ohne Oberflächlichkeit, mit „authentischen, liebevollen und ehrlichen“ Profilen bieten.
Wenn ich Student:innen auf dem Campus von diesem Konzept erzähle, können sich viele vorstellen, es zumindest mal auszuprobieren. Andere  -wie zum Beispiel Julia (Name von der Redaktion geändert) – bleiben aber skeptisch. Sie war noch nie auf einer Dating-App und auch zu dem neuen Konzept meint sie: „Für mich bleibt hier das Problem, dass ich mit der anderen Person dann in diesem Chatroom bin. Die ganze Situation hört sich für mich einfach unangenehm an, weil ich eher schüchtern bin. Ich mag es, Menschen ungezwungen zu treffen. Im Internet kann ich nicht mal die direkte Reaktion der Person sehen, die Leute sind fake und verstellen sich. Ich will jemanden lieber nicht übers Internet kennenlernen.“

Rot, grün oder doch weiß?

Dann also doch wieder los durch die Stadt ziehen  auf der Suche nach jemandem, mit dem man die Nacht oder vielleicht doch den Rest seines Lebens verbringen will? An Clubs, Bars, Cafés und Studentenparties mangelt es in Augsburg auf jeden Fall nicht. Besonders zum Semesterstart locken die Fachschaften mit günstigen Getränkepreisen und einer unvergesslichen Nacht mit den Kommiliton:innen. Neben den klassischen Angeboten fand zum Beginn dieses Semesters auch eine richtige Kuppelparty statt. Unter dem Namen ’’Lammore per favore“ versammelten ’’Hallo Augsburg’’ und das ’’Beim Weißen Lamm’’ junge Singles in der Ludwigsstraße. Die Feier- und Datingwilligen bekamen vor Ort Leuchtbänder in den Farben rot, grün und weiß. Dass Konsens beim Daten essenziell ist, sollte zwar inzwischen auch beim letzten Sturkopf angekommen sein. Dennoch  hilft es  zusätzlich, mit einem roten Band klar signalisieren zu können, dass man vergeben ist oder  heute einfach keine Lust hat, angesprochen zu werden. Mit einem grünen Band hingegen kann man zeigen, dass man zumindest generell nichts gegen einen Flirt hat. Mit einem weißen Band kann  man  aussagen, dass man selbst  nicht  genau weiß, was man eigentlich will.

Lammore Party "Beim Weißen Lamm"
"Lammore per Favore" im Weißen Lamm © Maike Seewald
Für die Feiernden war es definitiv eine neue und auch lustige Erfahrung, sich mal umzuschauen, wer von den anderen Partygänger:innen denn gerade (auch) in Datingstimmung ist. Es wäre allerdings schön gewesen, eine solche Gelegenheit zu nutzen, um auch queeren Personen das analoge Daten leichter zu machen. Zum Beispiel, indem man mit den Farben der Bänder signalisieren kann, ob man an Männern, Frauen oder beidem interessiert ist. Nach Angaben der Veranstalter wird die Party voraussichtlich fest ins Veranstaltungsprogramm integriert.

Online oder offline bleibt wohl eine Frage der persönlichen Präferenz

Marie, die uns am Anfang von ihren Erfahrungen beim Daten erzählt hat, ist seit einiger Zeit in einer festen Beziehung. Ihren Partner hat sie schließlich nicht mit einer App, sondern ganz zufällig in einer Bar kennengelernt. Auf die Frage, ob sie denkt, dass sie ihn auch auf Tinder nach rechts geswiped hätte, lacht sie: „Nein, vermutlich nicht. Aber der Vibe beim Online-Dating ist halt einfach ein anderer als im real life. “Wie auch auf Social Media inszenieren sich die Leute sehr und nur weil jemand auf Fotos gut rüberkommt, muss er nicht zwingend auch eine tolle Ausstrahlung haben.”

"Das ganze Zwischenmenschliche - ich nenne es mal die Chemie - und auch der Charakter einer Person, der Humor und das Nonverbale kommen besser durch, wenn man sich direkt Face-to-Face begegnet.“ 
Marie
BWL

Egal ob man online oder offline nach der Liebe suchen möchte, es ist schön, dass es inzwischen so viele verschiedene Möglichkeiten gibt, neue Leute kennenzulernen. Am Ende bleibt es vermutlich Geschmacksache, welcher Weg zu einem passt, und man darf auch nicht vergessen, dass Zufall und Timing eine entscheidende Rolle beim Kennenlernen spielen. Wichtig ist es auf jeden Fall immer offen, respektvoll und ehrlich zueinander zu sein, auch wenn das eine gute Portion Mut erfordert.

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