Der Köder muss dem Fisch schmecken

Geisteswissenschaftler haben durchaus gute Jobchancen, auch in der Wirtschaft

Irgendwann im Studium, nach dem zehnten Bier oder nach der zehnten Hausarbeit, sollte sie auftauchen. Je früher desto besser, je später desto schlechter. Die Geisteswissenschaftler brauchen vor ihr nicht mehr Angst zu haben als Ingenieure oder Techniker. Wichtig ist es, vorbereitet zu sein.

Von Philipp Zanklmaier

Die Rede ist von der Frage, wo und wie man nach abgeschlossenem Studium einen Job findet. Eben jene Frage ignorieren viele Geisteswissenschaftler absichtlich, weil sie ihre eigenen Jobaussichten sehr pessimistisch einschätzen. Zu pessimistisch? Erwin Siebert, der Akademiker bei der Augsburger Agentur für Arbeit in berät, meint Ja: „Geisteswissenschaftler haben Stärken, die ihnen oft nicht bewusst sind. Sie denken, im Gegensatz zum Techniker, der prozesshaft in Schritt A, Schritt B, Schritt C vorgeht, sehr komplex über Sachverhalte. Außerdem können Geisteswissenschaftler meist sehr gut kommunizieren und sich selbst, aber auch Inhalte, gut darstellen.“ Das weiß man auch bei Fujitsu Siemens: „Studenten der Geisteswissenschaften müssen sich stark selbst organisieren, häufig selbstständig in neue Themen einarbeiten, diese durch Hausarbeiten entsprechend aufbereiten und auch präsentieren.“

Zum Angeln mit dem BWL Schein

Viele geisteswissenschaftliche Absolventen arbeiten später in den Medien, bei Verlagen oder bei Bildungsträgern. Werner Williams, Professor für Deutsche Sprache und Literatur des Mittelalters an der Uni Augsburg, kann das für seine Studenten nur bestätigen: „Ich sehe Chancen überall da, wo sprachliche Kompetenz besonders gefragt ist: Journalismus, Verlagswesen, Public Relations oder Bibliotheken.“ Ein Geisteswissenschaftler muss aber auch keine Berührungsängste mit Arbeitgebern aus Industrie und Handel haben. „Grundsätzliche Fähigkeiten, die durch ein Studium erworben werden, sind bei uns sehr gefragt“, sagt Sabine Heel, Personalberaterin bei Fujitsu Siemens. Auch bei Audi zeigt man sich gegenüber Geisteswissenschaftlern aufgeschlossen. „In unserem Unternehmen sind Geisteswissenschaftler unter anderem in den Bereichen Personalwesen, Unternehmenskommunikation oder im Vertrieb eingesetzt“, so Katrin Wellhöfer, zuständig für das Personalmarketing bei Audi in Ingolstadt. Es gibt da allerdings eine Bedingung: „Sehr wichtig sind ökonomische Kenntnisse“, so Heel. „Für einen Job in Industrie und Handel ist entscheidend, dass der Bewerber zu erkennen gibt, ich setze mich mit der Thematik Wirtschaft, Industrie und Handel auseinander und bin bereit, Teil des Ganzen zu werden“, erklärt Arbeitsmarktexperte Siebert. Diese Bereitschaft signalisiert man durch Praktika, am besten im Hauptstudium und bei großen Unternehmen, oder durch das Vorweisen von BWL- Kenntnissen (s. Infobox). Jeder Absolvent sollte BWL-Grundwissen beherrschen, raten Personalexperten und Jobberater. Dazu gehören zum Beispiel die Basics in Marketing, Controlling, Rechnungswesen oder Organisation. Warum, liegt nahe: Wirtschaftliches Denken und Handeln ist in nahezu jedem Berufsbereich zwingend. Ein Geisteswissenschaftler glänzt aber bei der Bewerbung nicht deswegen, weil er ein BWL-Genie ist. Er zeigt vielmehr sein Interesse an der Thematik. Weniger kommt es auf das Gelernte an, denn das wirklich Wichtige eignet sich der Akademiker im Beruf an. „Ein BWL-Schein ist für den Personaler der Haken, an dem er einhängen kann“, weiß Siebert.

Nur ein guter Haken reicht nicht

Ein zielloses Bewerben nach der Uni bringt kaum etwas, gerade für Geisteswissenschaftler, die weniger spezialisiert sind und ein breites Einsatzgebiet haben. Wichtig ist deshalb: geeignete Firmen ausmachen und Kontakte knüpfen. In beiden Fällen helfen Praktika. „Junge Menschen erleichtern sich damit nach ihrem Studium die Entscheidung, welchen Weg sie einschlagen möchten und welches Arbeitsfeld für sie in Frage kommt“, so Wellhöfer. Der 23- jährige Augsburger Politikstudent Christoph Schröder, der ein sechsmonatiges Praktikum bei der Bundeszentrale für politische Bildung absolvierte, spricht aus eigener Erfahrung.: „Mir wurde klar, dass der Bereich der politischen Bildung genau das Richtige für mich ist. Die Chancen auf einen späteren Job sind dabei umso höher, je mehr Kontakte man während seines Praktikums geknüpft hat.“ Siebert rät: „Praktika helfen herauszufinden, wo Stärken und Schwächen liegen. Man lernt so seinen eigenen Typ kennen und kann ein Profil entwickeln.“ Vielen Geisteswissenschaftlern fehlt aber der Blick für die eigene Person. „Das ist eine Schwäche“, meint Siebert und fügt hinzu: „Die Unternehmen stellen keine Inhalte, sondern Personen ein. Der BWL-Schein alleine ist es nicht. Ein geübter Personaler erkennt den Typ eines Bewerbers und kann genau sagen, ob er in einen bestimmten Bereich passt oder nicht.“ Wer seinen eigenen Typ erkunden will, der sollte sich, nebst Erfahrungen aus Praktika, soft skills aneignen (s. Infobox). „Viele Studenten wissen zum Beispiel oft gar nicht, dass sie ziemlich gut kommunizieren können, bis sie dann in einem Rhetorikseminar ihre Begabung erkennen“, so Experte Siebert. Auch Motivations- und Kreativitätstraining, Zeitmanagement und Verhandlungsführung sind soft skills, die den Geisteswissenschaftler fit für die Jobwelt machen. Nach dem Studium ist besonders die Zeitarbeit ein guter Weg um Erfahrungen zu sammeln. Erwin Siebert rät den Akademikern immer wieder zur meist unbezahlten Schnupperarbeit. Praktika, soft skills und etwas BWL-Know-How: Wer sich so vorbereitet, hat gute Zukunftschancen, auch in der Wirtschaft.

BWL-Weiterbildung und soft-skills:
www.ihk-akademie-schwaben.de
http://www.bbz-augsburg.de/html
http://www.zww.uni-augsburg.de

Weitere Seminarangebote:
http://uni.train-your-skills.de/
www.careertraining.de
www.uni-augsburg.de/einrichtungen/alumni/anbieter/careerservice
http://vdb.arbeitsamt.de/vdb/index.php
www.vhs-augsburg.de

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