Fabian Römer – Kalenderblätter
Als Fabian Römer vor fast vier Jahren noch unter seinen Initialen das letzte Album herausbrachte, ließ sich nicht erahnen, dass dies sein fulminanter Abschied vom klassischen Rap war. Zwar galten die Texte des außergewöhnlichen Musikers schon immer als eigen und öfters nicht Genrekonform, aber mit der neuen Platte entfernt er sich vollends davon – und erfindet es doch irgendwie neu.
Es sind nur viereinhalb Minuten Musik nötig um zu erkennen, dass dieser Mensch sehr jung angefangen haben muss. Es perlt eine Geschichte aus den Lautsprechern, die ohne Ecken, ohne Kanten heruntergereimt wird. Fast erinnert „Zimmer ohne Zeit“ schon an eine Ballade, bis man bemerkt, dass jeder Vers auf denselben Reim endet. Hier sind 13 Jahre Erfahrung dieses 25 Jährigen Interpreten zu hören.
Vom reinen Inhalt ist Fabian Römer der Alte geblieben. Die Texte sind sehr persönlich und handeln von den Problemen einer Person, mit der sich der Hörer in mindestens einem Lied identifizieren kann. Keine Ghetto-Allüren oder Beschreibungen über die eigene Gottähnlichkeit wie sonst von modernen Reimkünstlern gewohnt. Er rappt über alte Liebschaften, denen er wieder begegnet, Freundschaften, die durch die verschiedenen Lebenswege langsam auseinandergehen, die Zukunft vor der man keine Angst haben sollte und der Magie der Nachtluft.
Da auch technisch der 16 Jährige F.R. schon auf dem höchsten Standard war, gibt es hier keine größeren Überraschungen. Was auffallend neu ist, sind die erzeugten Bilder.
Eine Art Singer-Songwriter-Rap
In Zeilen wie:
„Und wie soll ich bloß daran denken, nie wieder an dich zu denken?
Doch die Stille trägt deine Stimme“
ist zu merken, dass der Reimakrobat in den letzten Jahren viele Texte für andere schrieb. Darunter auch Musiker, die nicht aus dem Hip-Hop-Milieu kommen und für die gemalte Sprachbilder wichtiger sind als gute Vergleiche oder ausgefeilte Doppelreime und /-deutigkeiten. Tauchen solche doch wieder auf
(„Und wenn wir uns schon nicht aus dem Staub machen können,
dann können wir doch schauen was wir aus dem Staub machen können“), dann steht das Storytelling im Vordergrund.
Die instrumentale Komponente, die man schon fast nicht mehr als „Beats“ bezeichnen kann, ist deutlich in den Vordergrund gerückt. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Rapper und wurde nicht als fertiges Paket geliefert und erst danach mit Text ausgestattet. Diese Arbeitsweise unterstützt die Entwicklung vom reinen Hiphop-Artisten hin zu einer Liedschreibeart die mehr dem Singer-Songwriting entspringt. Gesang ist nicht mehr nur für den Refrain gut sondern dient als Stilmittel und verschmilzt mit dem Sprechgesang.
Eine willkommene Alternative zur Supermarktmusik
Fabian Römer hat ein super Kopfhöreralbum geschaffen. Also Musik, die dazu anregt die lässig um den Nacken hängenden dicken Kopfhörer (oder wahlweise vor der Brust baumelnden Ohrstöpsel) nicht zum Zwecke des bloßen Zeitvertreibs bei langatmigen Busfahrten aufzusetzen und seinen Gedanken nachzugehen. Sie dient auch nicht als ständiges Hintergrundgeräusch für andere Aktivitäten, sondern dazu, sich ihr nachts aktiv zu widmen und zu hören, was dieser Interpret zu welcher Untermalung zu sagen hat. Das ganze Werk lässt sich fast als bündiges Buch beschreiben, entlang eines Roten Fadens aus einer neblig-dunstigen Grundatmosphäre vom Leben einer Person erzählt. Dabei findet der Hörer hier und da immer mal wieder ein kleines Stück von sich selbst, was diese Lieder erst so spannend macht.
Natürlich vermisst man etwas diesen technisch versierten F.R., der gerne einmal lustige oder raptypisch eher anstößige Tracks raushaut. Auch Liedern wie „Blauwalherz“ hätte ein bisschen weniger Pathos gut getan, was aber nur ein kleiner Makel ist, den man dem nun mal Erwachsengewordenen gerne verzeihen kann. Und im Endeffekt ist es doch ein Rap-Album, was der Künstler in einem Interview mit Nachdruck betonte. Es zeigt nur, dass der Deutschrap mittlerweile eine vielschichtige Angelegenheit und durchaus Kunst ist.
Das ganze Album via Spotify.