Im Rahmen unserer Artikelreihe „Zeig mir Dein Stadtviertel“ wurden bereits das Bismarckviertel, das Domviertel, Oberhausen und das Universitätsviertel vorgestellt. Heute ist das Augsburger Textilviertel an der Reihe. Genau genommen handelt es sich dabei eigentlich nicht um einen eigenen Stadtbezirk, trotzdem gibt es über das im Osten der Augsburger Innenstadt liegende Gelände viel Interessantes zu erzählen.
Grob einzugrenzen durch die Lechhauser Straße, den Lech, die Friedberger Straße und die Wallanlagen zwischen Rotem Tor, Vogeltor und Jakobertor erstreckt sich das Textilviertel über eine Fläche von etwa zwei Quadratkilometern. Ein Teil des Viertels kann zum Stadtbezirk „Am Schäfflerbach“ gezählt werden, der andere Teil zum „Wolfram- und Herrenbachviertel“. Durchzogen ist das Gebiet von vielen Bächen und Kanälen – mit einer Gesamtlänge von 4.400 Metern ist der Proviantbach der längste von ihnen. Diese Wasserwege waren in der Geschichte des Textilviertels von großer Bedeutung, wie nachfolgend beschrieben wird.
Eine kurze Reise in die Geschichte des Textilviertels
Anfang des 19. Jahrhunderts war das Textilviertel größtenteils noch unbewohnt und unbebaut. Aufgrund akuten Platzmangels im Stadtinneren siedelten sich Betriebe ab circa 1830 jedoch vermehrt außerhalb der Stadtmauern an. Der Bereich des heutigen Textilviertels erwies sich damals als besonders geeigneter Standort, denn durch die zahlreichen Lechkanäle, wie dem Herrenbach oder dem Schäfflerbach, konnte sich die Industrie die Wasserkraft als Energiequelle zu Nutze machen. Der dominierende Wirtschaftszweig war hierbei die Textilindustrie, der das Viertel seinen Namen zu verdanken hat. Zu dieser Zeit entstanden die mächtigen Fabrikbauten, zum Beispiel das Fabrikschloss oder der Glaspalast, welche bis heute das äußere Erscheinungsbild des Textilviertels prägen.
Nach vielen Jahren der florierenden Wirtschaft, in denen Augsburg auch „Manchester Deutschlands“ genannt wurde, begann in den 1970er Jahren der Niedergang des Textilviertels. Der Grund: Steigende Textilimporte aus Billiglohnländern auf der einen und sinkende deutsche Exporte auf der anderen Seite. Diese Entwicklung führte dazu, dass das Textilviertel schließlich als industrielles Brachland für die Bevölkerung und für die Stadt unattraktiv wurde. Es folgten viele Diskussionen zur Rolle des Textilviertels in Augsburg und wie es nun genutzt werden könnte. Die Stadtplanung stand vor der Herausforderung, das Gebiet wieder in eine nachhaltige Stadtentwicklung zu integrieren und ein lebenswertes Quartier zu schaffen – der Bereich Kultur nimmt dabei eine zentrale Rolle ein.
Kultur-Standort Textilviertel
Mittlerweile ist das Textilviertel für Augsburg aus kultureller Sicht nämlich extrem wertvoll. Das Stadtgebiet beheimatet sieben verschiedene Museen und Galerien, darunter beispielsweise das Staatliche Textil- und Industriemuseum oder die Galerie Noah und das Kunstmuseum Walter im Glaspalast. Im Jahr 2014 fanden auch Teile des Stadtarchivs und der Stadtarchäologie in der Nähe der ehemaligen Kammgarnspinnerei ein neues Zuhause. Theaterfans kommen im Textilviertel ebenfalls auf ihre Kosten, zum einen gibt es die experimentelle Bühne des Theatervereins s’ensemble Theater und zum anderen fungieren während der Sanierung des Augsburger Staatstheaters zwei Hallen im Martini-Park als Interimsspielstätte, um den Spielbetrieb aufrechterhalten zu können. In Sachen Kultur hat das Textilviertel also einiges zu bieten und der Besuch eines der Museen verbunden mit einem schönen Spaziergang entlang der kleinen Bäche und massiven Fabrikbauten lohnt sich in jedem Fall.
So viel zur Geschichte, dem kulturellen Wert und allgemeinen Informationen. Nun möchte ich aber noch eine subjektivere beziehungsweise persönlichere Sichtweise auf den Augsburger Stadtteil bekommen. Dafür habe ich mir drei Student*innen geschnappt und ihnen ein paar Fragen zu ihrem Heimatviertel – dem Textilviertel – gestellt. Rede und Antwort standen mir: Katharina (20) studiert Medien und Kommunikation, Elias (21) studiert Vergleichende Literaturwissenschaft und Robin (21) studiert Wirtschaftsingenieurswesen.
Was magst/schätzt du am meisten am Textilviertel?
Am meisten mag ich die gute Lage. Man ist zu Fuß total schnell in der Stadt und der Weg durch die Altstadt ist auch echt schön! Es ist super, dass man für vieles nicht unbedingt auf die Tram angewiesen ist, sondern eigentlich überall zu Fuß oder mit dem Rad hinkommt. Und auch die Anbindung Richtung Uni ist gut. Und wer gerne shoppen geht, so wie ich, ist auch nicht weit weg von der City Galerie. Ob das jetzt ein Vor- oder Nachteil ist, muss man selbst entscheiden. – Katharina (20)
Die ruhige, entspannte Umgebung ohne eine fehlende Infrastruktur und die Nähe zur Innenstadt. – Elias (21)
Am meisten schätze ich die für mich perfekte Lage des Viertels, gerade als Student. Man kann ohne Probleme mit dem Rad zur Uni fahren und mit der Tram dauert das auch nur knapp 20 Minuten. Auch die Nähe zur Innenstadt und zum Siebentischwald ist super. Jedoch hat auch das Viertel an sich viel zu bieten. Gute Einkaufsmöglichkeiten, vor allem in der City-Galerie und schöne Grünflächen. – Robin (21)
Hast du einen Lieblingsort im Textilviertel? Wenn ja, welcher ist das?
Ich mag die Gegend um mein Wohnheim ziemlich gerne. Man sieht immer viel grün, Wasser und schöne Häuser, wenn man einfach wahllos drauf losgeht. Aber einen direkten Lieblingsort habe ich eigentlich nicht – es macht eher Spaß neue Wege zum Spazierengehen zu entdecken. – Katharina (20)
Falls der Proviantbach noch dazugezählt werden darf, ganz klar dort, ansonsten ist es für mich wirklich viel mehr eine gute Ausgangsbasis, um schnell in die Altstadt oder den Siebentischwald zu gelangen. – Elias (21)
Darüber habe ich mir eigentlich noch nie Gedanken gemacht, aber spontan würde ich sagen es ist der Proviantbach. Auch wenn es da im Sommer schon immer sehr voll ist. Trotzdem kann man dort echt gut baden oder auf der Wiese ein bisschen kicken und das gute Wetter genießen. – Robin (21)
Wie sieht es in puncto Restaurants und Cafés aus im Textilviertel?
Das kann ich nicht wirklich beurteilen, da ich eigentlich nur in der Innenstadt immer essen oder etwas trinken gehe. Es gibt auf jeden Fall einen Hans im Glück und da schmeckts auch sehr gut. – Katharina (20)
Mager. Für mich im Sommer absolut erfüllend ist das Café Valeria an der Kammgarnspinnerei, das einen für den Moment nach Italien mit seiner wunderbaren Gastgeberkultur versetzt. Abgesehen davon mag ich es, den Biergarten des Rheingolds für Getränke aufzusuchen und auf der anderen Straßenseite kann man im Seoul Kitchen koreanische Küche in ordentlicher Qualität und einer guten Spur Authentizität genießen. – Elias (21)
Dafür zieht es mich meistens schon in die Innenstadt, aber ein Espresso bei der Segafredo-Bar in der City-Galerie geht immer und auch ein leckerer Burger bei Hans im Glück hat gelegentlich etwas. – Robin (21)
Was fehlt deiner Meinung nach noch im Textilviertel?
Gastronomie. Zwar ist auch in Hinblick auf alles weitere die Innenstadt derart schnell erreichbar, dass man sich nicht beschweren kann, doch ist auch die Augsburger Innenstadt mit keiner überbordenden gastronomischen Vielfalt gesegnet. In meinen Augen hätte man im Zentrum des Textilviertels rund um die Kammgarnspinnerei nach dem Vorbild inzwischen vieler Großstädte ein tolles Quartier schaffen können, um jungen Konzepten in industriell geprägtem Ambiente Raum zu bieten. – Elias (21)
Ganz klar, Bars! Entweder ich hab noch keine gemütlichen Locations für ein Feierabendbier gefunden oder sie fehlen wirklich noch im Textilviertel… Ich bin mir auch sicher, dass genügend Zulauf da wäre, bei den vielen jungen Leuten, die hier leben. – Robin (21)
Gibt es etwas, was dir am Textilviertel gar nicht gefällt? Wenn ja, was denn?
Nein, da fällt mir nichts ein. – Elias (21)
Da fällt mir auf Anhieb nichts Konkretes ein, am ehesten vielleicht noch die angespannte Parksituation, aber die ist in Augsburg wahrscheinlich überall gleich. Und mit Tiefgaragenstellplatz klage ich schon auf hohem Niveau. – Robin (21)
Vielen Dank an meine drei Interviewpartner*innen, dass sie sich die Zeit genommen haben meine Fragen zu beantworten und mir einen Einblick zu geben, wie ihr Leben im Textilviertel aussieht, was sie daran besonders mögen beziehungsweise vermissen. Das Textilviertel hat sich in den letzten 200 Jahren enorm verändert. Aus dem Industriestandort ist mittlerweile ein beliebter Wohn- und Kulturraum geworden. Mal sehen, wie sich das Quartier rund um die Kammgarnspinnerei in der Zukunft noch weiter entwickelt.