Wie Paul Kunstmann Augsburg bunter macht

Dieser Artikel gehört zu unserer Themenwoche “Student:in – und was noch?”, in der wir euch Studierende in einer besonderen Lebenssituation oder mit einem besonderen Engagement vorstellen möchten. In einer Kooperation mit der Augsburger Allgemeinen sind unsere Artikel auch dort online erschienen.

© Johanna Gruber

Nichtheterosexuelle Menschen haben es nicht immer leicht in der Gesellschaft. Mit Paul Kunstmann, Student und Leiter der Organisation Queer Augsburg, haben wir über die queere Gruppe, die Situation von nichtheterosexuellen Menschen in Augsburg und den Pride Month gesprochen.

Der Begriff Queer beschreibt alle anderen Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten wie Transidentitäten. Als Synonym wird auch der Begriff LGBTQ+ verwendet. Er steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell und queer. Wichtig dabei sei, dass sich jede*r selbst definieren darf, sagt Paul.

Queer Augsburg ist ein Safe Space, ein sicherer Raum, für queere Menschen. Über die queere Community sagt Paul: “Hier fühle ich mich sicher, weil man sich verstanden fühlt und sich nicht ständig erklären muss.” Je mehr Wissen vorhanden sei, desto sicherer sei das Gefühl, sagt er. Queere Personen würden in Räumen wie Queer Augsburg beispielsweise nicht misgendert, also mit dem falschen Pronomen angesprochen. Stattdessen erfahren sie Unterstützung, können sich selbst besser kennenlernen, zu ihrer Identität und ihrem Namen stehen sowie Kraft für das Coming-out und den Prozess der Transition schöpfen. Bei Queer Augsburg werden sie ermutigt, selbst aktiv zu werden und eigene Treffen zu leiten. 

Der Schwerpunkt der Gruppe liegt auf wöchentlichen Treffen. Regelmäßig finden Themen- und Kennenlerntreffen statt. In der Vergangenheit organisierte die Gruppe Vernetzungstreffen mit queeren Organisationen aus den DACH-Ländern und den USA. Queer Augsburg veranstaltet zudem Themenabende mit anderen Augsburger Organisationen. Mit beispielsweise den Queeren Christ*innen und der Evangelischen Studierendengemeinde Augsburg fand ein Themenabend über “Queer und Christlich” statt.

"Menschen sind nicht unveränderbar."

Paul erfährt immer noch Minderheitenstress. Das ist chronischer Stress, ausgelöst durch Vorurteile und Diskriminierung beispielsweise gegenüber Minderheitssexualitäten. Auch hätten queere Menschen weiterhin mit Gewalt und Mobbing zu kämpfen, sagt er. Doch Kunstmann sagt auch, dass nicht offene Diskriminierung das größte Problem sei, sondern versteckte. Denn auch wenn die Toleranz zunehme, bedeute das nicht, dass automatisch Akzeptanz vorhanden ist. Jedoch sagt der Student, dass man im Gespräch viel erreichen könne und Menschen nicht unveränderbar seien. 

Vor allem Studierende engagierten sich bei Queer Augsburg. Alle anderen Menschen seien aber auch bei der Gruppe willkommen. “Queer Augsburg ist offen für alle”, sagt Paul. “In dieser großen, vielfältigen Masse ist es irgendwann erforderlich Fokusgruppen zu bilden”, fügt er hinzu. “Das Angebot wird ausgeweitet und für verschiedene Gruppen spezifiziert.” So würden in Zukunft eine queere Studierenden- und eine Berufstätigengruppe sowie Gruppen mit Fokus auf Kultur und Literatur entstehen, sagt Paul. Auch nach der Pandemie solle ein Teil der Treffen digital angeboten werden. “So finden Menschen, die neu nach Augsburg ziehen, leichter Anschluss”, erzählt der Student. Da das digitale Angebot sehr gut angenommen worden sei, verzeichnet Queer Augsburg derzeit schätzungsweise 130 Mitglieder. 

Sobald das Pandemiegeschehen es zulässt, seien auch Veranstaltungen im öffentlichen Raum, wie Improtheater und Infostände, geplant, was durch die Kooperation mit dem Projektraum im Quartier Rechts-der-Wertach ermöglicht wird, sagt Paul. Zudem ist ein Schulprojekt in Arbeit. “Das größte Problem beim Umgang mit queeren Menschen ist, dass das Wissen nicht da ist“, sagt er. Daher sei ein Programm geplant, um aufzuklären, sich kennenzulernen und sich dadurch akzeptieren zu lernen.

© Johanna Gruber

Paul sagt, er wünsche sich mehr Aufklärung und Bildungsarbeit sowie mehr Wissensbereitschaft und Engagement, vor allem für Queerness, aber auch gegen Rassismus, Islam- und Judenfeindlichkeit. “Von der Politik erhoffe ich mir mehr Unterstützung bei der Umsetzung von queeren Projekten und von Unternehmen weniger Pinkwashing”, sagt er. Pinkwashing bedeutet, vorzugeben, tolerant gegenüber queeren Personen zu sein, um Produkte besser verkaufen zu können.

Gerade im Pride Month schmückten sich viele Personen und Unternehmen mit Regenbogenfahnen und meinten, sie müssten sich nicht mit der Thematik beschäftigen, sagt er. “Klar ist Symbolik gut, aber gleichzeitig braucht es Anlaufstellen für queere Menschen.” Dies kann mit geschulten Coaches, ausgebildeten Psycholog*innen und Sozialarbeiter*innen erreicht werden. Sie könnten queere Personen beraten und unterstützen, sagt Paul.

"Der Traum einer Gemeinschaft, die sich weiterentwickelt, treibt mich an."

Der gebürtige Augsburger sah, dass es an Hilfsangeboten fehlte, und schuf mit Queer Augsburg einen Raum, in dem sich alle respektierten und sicher fühlten, frei und gleichgestellt seien, sagt er. Wenn es schwierig wird, würden ihn die Freundschaften, die in den letzten zwei Jahren entstanden sind, motivieren. “Man lernt Menschen kennen und sieht, wie sie sich weiterentwickeln. Die Verbindung zu den Personen motiviert mich. Der Traum einer Gemeinschaft, die sich weiterentwickelt, treibt mich an”, sagt er.

Die Interviews für alle Artikel unserer Themenwoche wurden bereits im Juni geführt.

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