Sind meine Oberschenkel zu dick? Sind meine Oberarme zu dünn? Ist mein Gesicht zu rund? Ist mein Po zu flach? Sind meine Schultern zu schmal? Ist meine Hüfte zu breit? Sind meine Schamlippen zu groß? Ist mein Penis zu klein?
Zu viel, zu wenig, zu lang, zu kurz, mir zu dumm. Wer legt das „zu“ fest? Wer sagt, wann etwas gut genug ist? Kann ein Mensch, der in allen körperlichen Kategorien bewertet wird, überhaupt gut genug sein? Wer bestimmt die Norm? Klar, es gibt die selbsterklärte Style-Polizei und die Tante, die es doch nur gut meint, wenn sie dir mitteilt: „Du hast schon ein bisschen zugenommen, oder?“. Aber darüber hinaus bestimmt die ganze Gesellschaft, was Schönheit bedeutet. Und die ganze Gesellschaft ist es auch, die sich unter Druck setzt, um dem Schönheitsideal näher zu kommen. Paradox.
Wir verbringen so viele Sommerstunden wie möglich in der prallen Sonne, um die perfekte Bräune zu erlangen. In Indien werden Hautcremes mit Bleichmittel verkauft, um die Haut aufzuhellen. Im Barock sollten die Damen füllig sein, in den 2000ern so schlank wie irgendwie möglich, und heutzutage herrschen die Kardashians mit Sanduhr-Figur. In Europa malt man sich Sommersprossen auf, in China sind sie verpönt. Wie soll man sich in diesem Dschungel aus Widersprüchen und Urteilen zurechtfinden, geschweige denn wohlfühlen?
Schönheitsideale gab es schon immer – in jeder Zeit, Kultur und Gesellschaftsform. Sie sind genauso vielfältig wie strikt. Der Mensch verspürt den Drang, sich seiner sozialen Gruppe anzupassen. Früher hing sein Überleben von der Akzeptanz und Zugehörigkeit zu einer Gruppe ab. Das erklärt den Druck, den Social Media auf viele ausübt. Unsere soziale Gruppe besteht nicht mehr aus Familie und Stammesmitgliedern. Wir können uns heute mit der ganzen Welt vergleichen! Hollywoodstars, Models und Fitnessgötter. Die sind scheinbar immer perfekt und wunderschön. Jeder weiß, dass das nicht der Fall ist. Trotzdem bleibt ein negativer Nachgeschmack, wenn man Instagram wieder schließt.
Das sagen die Augsburger Studis
Auf kultureller Ebene gibt es verschiedenen Ideale. Aber natürlich spielt auch die subjektive Sicht jedes Individuums eine große Rolle – wenn nicht sogar die größte. Unser eigenes Bild von Schönheit hat viel mit den Erfahrungen zu tun, die wir im Kindes- und Jugendalter machen. Auf diese Weise bilden sich individuelle Vorlieben heraus, die dem aktuellen Schönheitsideal auch mal widersprechen.
Presstige hat auf dem Campus herumgefragt. Was findet ihr attraktiv an euren Mitmenschen? Was für Vorlieben habt ihr, die nicht zum aktuellen Schönheitsideal passen? Dabei herausgekommen sind die unterschiedlichsten Sichtweisen auf Schönheit. Natürlich sind das nur Einzelmeinungen und kein Stimmungsbild der Augsburger Studis. Doch sie geben einen Eindruck in wie vielen verschiedenen Ausprägungen Schönheit zu finden ist.
(Die Namen der Befragten wurden auf Wunsch geändert)
So individuelle Antworten bekommt man, wenn man ein paar Stunden auf dem Campus herumlungert. Von einem eindimensionalen Schönheitsideal wie wir es auf Social Media sehen, kann nicht die Rede sein. Würde man diese Umfrage auf ganz Augsburg ausweiten, hätte man wahrscheinlich beinahe jedes körperliche Merkmal abgedeckt. Auch wenn uns häufig etwas anderes suggeriert wird – Schönheit lässt sich nicht in bestimmte Schubladen quetschen. Und wir müssen es ebenso wenig. Die Ideale scheinen oft unerreichbar. Häufig ist plastische Chirurgie notwendig, um mithalten zu können. Aber warum sollte man überhaupt versuchen, mitzuhalten? Jedes Jahr gibt es neue Trends, denen sich der Körper unterwerfen soll, und was letztes Jahr sexy war, ist dieses Jahr verpönt. Das hat den negativen Beigeschmack von Fast Fashion.
Letzen Endes liegt die Entscheidung, welchen Idealen wir folgen wollen, in unserer Hand. Social Media bietet die Möglichkeit der selektiven Mediennutzung. Gleichaussehende Gesichter und Körper gibt es zwar zuhauf. Doch man findet genügend Creator, die sich den Normen nicht beugen wollen. Viele legen ihren Fokus auf Selbstliebe, Body-Neutrality oder ähnliche Themen. Andere sind einfach sie selbst und zeigen auf ungezwungene Weise, wie leicht das sein kann. Wir entscheiden, wem wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Jeder einzelne Mensch verschiebt den Fokus der Gesellschaft ein klein wenig. Statt zu großen Namen aufzuschauen, sollten wir uns selbst fragen, wie wir Schönheit für uns definieren wollen.