End Fossil Augsburg kämpft für mehr Klimagerechtigkeit

Sicher habt ihr auf dem Unigelände schon die vielen Banner und Plakate mit fünf Forderungen entdeckt und wenn ihr Vorlesungen im Hörsaal 1 des D-Gebäudes habt, werdet ihr gemerkt haben, dass dieser seit vergangener Woche anders aussieht. Auf den Tafeln wird sich mit den Personen im Iran und Kurdistan solidarisiert, ein Haufen Matratzen steht neben dem Rednerpult und es gibt einen Tisch bei dem man gegen eine Spende kalte Getränke und Tee erhalten kann. Alles innerhalb kürzester Zeit organisiert von End Fossil Augsburg.                          
Doch wer steckt hinter dieser Gruppe, was fordern sie konkret und was ist in den letzten Wochen passiert? In einem Gespräch erzählen mir fünf Aktivist*innen über den bisherigen Weg ihres Aktionsbündnisses.

Der von End Fossil bestzte Hörsaal I ©Alexandra Nägele

End Fossil: Augsburg

Anlässlich der Weltklimakonferenz COP27 entstand die Klimagerechtigkeitsbewegung End Fossil: Occupy!, welche zu Uni- und Schulbesetzungen in ganz Deutschland aufruft. End Fossil: Occupy hat sich das Ziel gesetzt die fossile Wirtschaft zu beenden und wendet sich mit konkreten Forderungen an die Politik. Darunter unter anderem: Keine Profite mit Energieprodukten und Verkehrswende für alle. Vor circa einem Monat gründete sich daraufhin End Fossil Augsburg und folgte diesem Aufruf. Momentan sind etwa 30 Menschen bei diesem Bündnis aktiv. Sie verstehen sich als antirassistischer, queer-feministischer, antiklassistischer und kapitalismuskritischer Zusammenschluss von Studierenden der Uni Augsburg und Teil der internationalen End Fossil Occupy Bewegung.    

Welche Rolle spielen Bildungseinrichtungen im Kampf für mehr Klimagerechtigkeit?

Doch wieso bezieht sich die End Fossil Occupy Bewegung dabei auf Bildungseinrichtungen und in welcher Rolle sehen die Aktivist*innen die Universität Augsburg im Kampf für mehr Klimagerechtigkeit. Ein Aspekt dabei sei die Universität als Handlungsspielraum: Universitäten stellen für Studierende den Raum dar, den sie gestalten können. Ein andere Aspekt bezieht sich auf die Forderung „Unite behind the science“. Dieser bekannte Slogan der Klimabewegung meint, dass Wissenschaft uns nicht nur die Beweise für die Existenz der Klimakatastrophe liefert, sondern die wissenschaftlichen Erkenntnisse die Basis für politische Entscheidungen darstellen sollen. „Meiner Meinung nach müssen wissenschaftliche Einrichtungen und Universitäten vorangehen und zeigen, wie man den transformativen Prozess gestalten kann. Und das funktioniert nur wenn sie an ihrer Stelle ansetzen mit Klimaneutralität, mit Dekolonialisierung, mit vielen Aspekten“. Die Aktivist*innen sehen es demnach als ihre Aufgabe ein Statement zu setzen und die Universität Augsburg dazu aufzufordern, ihrer Verantwortung als Bildungseinrichtung gerecht zu werden und als Vorbild in Sachen Klimagerechtigkeit zu agieren.

Fünf Forderungen an die Universität

©Alexandra Nägele

Gemeinschaftlich entwickelten sie dabei konkrete Forderungen, die sich in folgende Kategorien gliedern: Klimaneutralität bis 2027, Dekolonialisierung, Soziale Uni, Antimilitarismus und studentisches Mitspracherecht. Darunter fallen beispielsweise eine Sanierung der Universität Augsburg unter energetischen Gesichtspunkten, die Erstellung eines Jahresberichts über den Energieverbrauch, eine Überprüfung der Lehrinhalte auf koloniales Gedankengut, keine Erhöhung des Semesterbeitrags, den Ausbau von psycho-sozialen Unterstützungsangeboten, ein Stopp aller Forschungsprojekte, die keine zivilen Forschungsziele verfolgen und eine Verbesserung der studentischen Partizipation – beispielsweise durch eine Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft. 

Zentral ist für End fossil dabei der holistische Ansatz ihrer Forderungen. „Alle fünf Forderungen sind fünf wichtige Teile von Klimagerechtigkeit“, so ein Aktivist. Fossile Energien sind eng mit kolonialen Logiken verknüpft. Der Krieg zeigt uns, was aus fossilen Abhängigkeiten entstehen kann und darin sind u.a. die Forderungen zur sozialen Uni begründet. Die Forderung nach einer Ausweitung des studentischen Mitspracherechts bildet die Grundlage für den Handlungsspielraum von Studierenden ab.

Ziviler Ungehorsam als Mittel

Nach der Veröffentlichung der Forderungen erfolgte zunächst keine Reaktion der Universitätsleitung und so entschied man sich für die nächste Maßnahme: Start der Besetzung des Hörsaal 1 war der 28.11.2022. Seitdem ist dieser nicht nur mit Bannern und Postern behängt, sondern auch durchgängig von Studierenden des Bündnisses okkupiert – 24 Stunden am Tag. In der ersten Nacht schliefen 13 Aktivist*innen im Hörsaal, meistens sind es vier bis fünf. Der Lehrbetrieb findet tagsüber regulär statt. In den Zeiten, in denen keine Vorlesungen stattfinden, nutzt das Bündnis den Hörsaal als offenes Austauschforum und Diskussionsraum, bietet Vorträge zu den gestellten Forderungen an, hält Plena über das weitere Vorgehen ab oder bietet andere Aktivitäten wie kleine Konzerte oder Filmabende an.

Und wie kommt das Ganze an?

Dadurch, dass der Lehrbetrieb trotz Besetzung weiterläuft, kommt End Fossil Augsburg viel mit Studierenden und Dozierenden in Kontakt. Doch wie sind die Reaktionen auf die Besetzung?
Hinsichtlich der Studierenden berichten die Aktivist*innen von unterschiedlichen Erfahrungen. Zum einen nehmen sie eine große Distanz wahr, sobald jedoch der erste Kontakt hergestellt ist, sei der Austausch positiv und interessiert. Jedoch erfahren sie auch Desinteresse und Unverständnis. Ein anderer formuliert dies drastischer: „Also ich kann diese politische Jugend, die immer so dargestellt wird, nicht so sehen“.          
Von den Dozierenden, die im Hörsaal 1 unterrichten, habe das Bündnis viel Zuspruch erfahren.
Viele begrüßen, dass End Fossil einen Raum für Austausch schafft, und manche bauten die Forderungen sogar in ihren Unterricht ein, so die Aktivist*innen.

Von den Forderungen zum ersten Forum für Klimagerechtigkeit

Das Bündnis End Fossil: Augsburg existiert noch nicht lange und dennoch ist in diesem kurzen Zeitraum schon einiges passiert. Daher an dieser Stelle ein kurzer Überblick über der Ereignisse rund um die Besetzung des Hörsaals.             
Nachdem das Aktionsbündnis am Mittwoch, den 23.11.2022 seine Forderungen an die Universität Augsburg veröffentlicht hat und die Universitätsleitung nicht darauf reagierte, startete die Besetzung am Montag, den 28.11.2022.          
Daraufhin trat die Leitungsebene der Universität mit dem Bündnis ins Gespräch und machte ein Gesprächsangebot für den darauffolgenden Tag. End Fossil Augsburg beschreibt dabei ein Gespräch hinter verschlossenen Türen, im Anschluss dessen die Universitätsleitung das Bündnis zu einem Runden Tisch zum Thema Klimaneutralität einlud. Dieses Gesprächsangebot lehnte das Bündnis jedoch ab – zum einen entspreche das vorgeschlagene Gesprächsformat nicht einem öffentlichen, demokratischen und transparenten Prozess. Zum anderen sei die Universität nur auf eine ihrer fünf Forderungen eingegangen und das Bündnis wolle nur gesamtheitlich über die Forderungen sprechen.
Der Runde Tisch fand am 01.12.2022 ohne End fossil dennoch statt. Im Anschluss an den Runden Tisch schauten seine Teilnehmenden im besetzten Hörsaal vorbei, wo dann ein spontanes und auf-Augenhöhe-stattfindendes Gespräch über den Gesprächsmodus für den kommenden Austausch stattfand.
Am Sonntag, den 04.12.2022 traf sich der Studentische Konvent zum ersten Mal seit 2006 zu einer außerordentlichen Konventsitzung, bei welcher sich mit großer Mehrheit mit allen Forderungen solidarisiert wurde. „Der studentische Konvent verkörpert die gesamte Studierendenschaft und dieser Rückhalt war ein wichtiges Signal für uns“, so die Besetzer*innen.

Erstes Forum zu Klimagerechtigkeit der Universität Augsburg

Am gestrigen Donnerstag, den 08.12.2022, fand schließlich das erste Forum zu Klimagerechtigkeit statt. Auf der Bühne diskutierten insgesamt 33 Akteur*innen aller beteiligten Gremien und Statusgruppen. Dazu zählen Vertreter*innen der Unileitung, des Zentrums für Klimaresilienz, des WZU, des Mittelbaus, der Wissenschaftsstützenden,  des Professoriums, der Studierendenvertretung und Aktivist*innen von End Fossil – also mehr oder weniger alle außer Universitätspräsidentin Sabine Doering-Manteuffel.

©Alexandra Nägele

Sie sprachen gemeinsam über Transparenz, studentisches Mitspracherecht, Klimagerechtigkeit an der Uni Augsburg und zukünftige Formate für eine anhaltende Auseinandersetzung mit diesen Themen. Auch wenn zu Beginn eine Agenda mit groben Themenfeldern besprochen wurde, zeigte sich, dass es in der Diskussion schwer viel, diese Themenfelder voneinander zu trennen, was den holistischen Ansatz der Forderungen von End Fossil bestärkt.     
Am Ende der über vierstündigen Diskussion wurde sich schließlich darauf geeinigt, dass Ende Januar das nächste Forum zu Klimagerechtigkeit stattfinden wird. Dies stellte eine Grundvoraussetzung von End Fossil Augsburg dar, um die Besetzung vorerst zu beenden. In einem Statement gaben sie im Anschluss an das Forum bekannt: „Uns war bewusst, dass wir die Universität nicht in elf Tagen verändern können. Wir wollten ein Momentum erzeugen, welches eine Welle der klimagerechten Transformation dieser Institution auslöst. Das ist uns mehr als gelungen. Auch ohne eine Besetzung sind wir fest entschlossen, unsere Forderungen an der Uni zu realisieren – es gibt viele verschiedene Aktionsformen.“     

End Fossil Augsburg und die Besetzung des Hörsaals – eine Erfolgsgeschichte?

Innerhalb der letzten anderthalb Wochen fand ein Runder Tisch zum Thema Klimaneutralität statt, die Universität veröffentliche ihren Plan bis 2028 klimaneutral zu werden und es fand das Erste Forum zum Thema Klimagerechtigkeit statt, welches im Januar fortgesetzt wird. Es ist unbestreitbar, dass diese intensive Auseinandersetzung mit den Themen Klimagerechtigkeit und Klimaneutralität eine direkte Reaktion auf die Besetzung des Hörsaals ist.       
Verantwortung wahrnehmen war ein Schlagwort, welches im Forum oft gefallen ist. Die Aktivist*innen haben mit ihrer Besetzung gezeigt, dass sie ihre Verantwortung wahrgenommen haben. Ob diese Bemühungen langfristig erfolgreich sind, hängt nun ganz davon ab, wie die Uni Augsburg zum Thema Verantwortung wahrnehmen steht.

 

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