Normen sind ungeschriebene Verhaltensvorschriften, die vermitteln, was akzeptabel ist und was nicht. Viele werden selten wahrgenommen und ebenso selten hinterfragt. Man könnte sie auch als unsichtbare Macht bezeichnen. Umso einflussreicher, weil wir uns ihrer gar nicht bewusst sind.
Die heteronormative Paarbeziehung
Es gibt immer mehr Singles. Immer mehr Menschen lassen sich scheiden. Die Zustimmung zur Erlaubnis der homosexuellen Ehe steigt. Die Partnerwahl scheint immer freier zu werden. Es darf mehr ausprobiert werden, mehrere Beziehungen im Leben zu führen ist keine Schande und selbst der Bundeskanzlerkandidat in der vierten Ehe wird ins Amt gewählt. Die Individualisierung schreitet voran.Vorbei ist die Zeit der Ehe zwischen Mann und Frau mit ihren beiden Kindern. Scheinbar zumindest. Die Angst, nur umringt von 100 Katzen zu sterben, ist uns geblieben. Man muss nur einmal einen Blick ins Fernsehen werfen. Kaum ein Seriencharakter hat je das ewige Glück ohne eine Liebesbeziehung gefunden. Kein Wunder bekomme ich als Single mehr als einmal die Frage gestellt: Warum hast du keinen Freund? Wohl gemerkt fragt nie jemand nach einer Freundin. Individualisierung hin oder her, die Norm zur (heterosexuellen) Partnerschaft bleibt bestehen. Und so sehe ich mich als Single plötzlich unter Rechtfertigungszwang.
Der Social Media-Fluch
Kleider machen Leute
Ausgabe 26: Macht
Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 26 unseres gedruckten Magazins.
Die Sanktion des Großraumbüros
Wer sich nicht an die Norm hält, hat mit Sanktionenzu rechnen, so sagen die Soziologen. Gemeint ist damit keine offizielle Strafe, sondern beispielsweise soziale Ausgrenzung.
Das „falsche“ Studium oder den „falschen“ Beruf zu wählen, wird mit geringerer Bezahlung, weniger sozialer Anerkennung und ausbleibenden Fördermitteln sanktioniert. Das kommt auch nicht überraschend: Schon bevor man sich für ein Studium entscheidet, ist man sich in der Regel im Klaren, was das für die berufliche Zukunft ungefähr bedeutet und nimmt dies in Kauf. Man beugt sich der kapitalistischen Norm, die besagt, welche Berufe scheinbar wertvoller für die Gesellschaft sind, wer eineigenes Büro mit Ausblick verdient hat und wer im Großraumsein berufliches Dasein fristen darf.
Wie kann man sich also der Macht der Normen widersetzen? Nun, man kann sich von Facebook abmelden,Sachen aus der Altkleidersammlung tragen und einfach machen, worauf man Lust hat und auf die Konsequenzen pfeifen. Natürlich ist das erst einmal leichter gesagt als getan und sollte nicht unbedingt zum Exzess betrieben werden, schließlich haben Normen auch ihr Gutes. Doch vielleicht sollten wir uns angewöhnen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und zu hinterfragen, was scheinbar so selbstverständlich ist. Danach können wir immer noch entscheiden, ob wir uns daran halten wollen oder nicht.