Janina und Michael studieren beide an der Uni Augsburg und sind Teil der Studentischen Unternehmensberatung (JMS) vor Ort. Aber das ist ihnen noch nicht genug Engagement, denn zusätzlich sind sie auch im Vorstand des BDSU – das ist kurz für Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen. Wie man sich die Arbeit und Aufgaben dort vorstellen kann, wie viel Aufwand und Zeit sie investieren und was ihnen ihr Engagement bringt, haben sie Presstige erzählt.
Übrigens: Bereits im Juni hat die Presstige-Autorin Lea über die Studentische Unternehmensberatung in Augsburg berichtet. Ihr Interview könnt ihr hier nachlesen.
Vorstellungs-Runde:
Interview-Runde:
Presstige: Was sind eure Aufgaben im BDSU?
Janina: Als erste Vorsitzende und Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit repräsentiere ich knapp 3.000 aktive Studierende, die sich in Studentischen Unternehmensberatungen engagieren, und bin für die externe Verbandskommunikation zuständig. Dazu kommt, dass der BDSU schon seit knapp 28 Jahren existiert und dementsprechend auch etliche Alumni hat.
Michael: Als Vorstand für Qualitätsmanagement bin ich für die Überprüfung der Qualität der einzelnen Verbandsinitiativen zuständig. Wir sind ein Verband mit aktuell 32 Initiativen, die in ganz Deutschland verteilt sind. Um deren Qualitätsrichtlinien zu überprüfen, war ich zwischen Mitte August und Anfang Oktober in ganz Deutschland und habe alle JEs (Junior Entreprises) besucht.
Erläuterungen:
Von Studenten geführte Unternehmensberatungen an Hochschulen oder Unis. Sie bieten den Studenten die Möglichkeit, Praxiserfahrungen neben dem Studium zu sammeln. Für Unternehmen stellen sie eine verhältnismäßig günstige Möglichkeit, sich beraten zu lassen und motivierte Studenten anzuwerben, dar.
Kurzform von Junior Entreprise. Französisch für Studentische Unternehmensberatung.
Die studentische Unternehmensberatung an der Universität Augsburg. Mehr Informationen findet ihr unter https://www.jms-augsburg.de/.
Bundesverband Deutscher Studentischer Unternehmensberatungen. Der Dachverband vereint 32 Mitgliedsinitiativen aus ganz Deutschland. Mehr Informationen findet ihr unter https://bdsu.de/
Bei einem Audit wird geprüft, inwiefern eine Initiative die vorgegebenen Qualitätsrichtlinien einhält. Sie sollen den Wissenstransfer, der durch die Projekte mit den externen Unternehmen generiert wird, überprüfen. Außerdem werden interne Abläufe und Prozesse genauer betrachtet.
Was sind Ziele und Aufgaben des BDSU? Wie ist er aufgebaut?
Janina: Der BDSU wurde 1992 von 7 Initiativen gegründet. Damals war die Idee der studentischen Unternehmensberatung noch sehr jung und ist aus Frankreich zu uns rübergeschwappt. Frankreich ist da sehr aktiv und hat auch einige Initiativen und Standorte mehr. Die 7 Gründungsinitiativen des BDSU haben sich ursprünglich zu einem Interessensverband zusammengeschlossen, weil sie Lust hatten, etwas zu bewegen und mehr Leute auf die Idee aufmerksam zu machen. Mittlerweile versucht der BDSU Netzwerk für Alumni, Mitglieder, Studierende und auch Unternehmen zu sein, damit dort alle zusammengebracht werden. Grundsätzlich ist unsere Aufgabe, die Idee zu verbreiten. Also eine Antwort auf die Frage „Was ist studentische Unternehmensberatung?“ zu geben und den Unternehmen zu zeigen, dass es auch wirklich eine Alternative zu den konventionellen Beratungen ist. Zudem haben wir als Dachverband noch die Aufgabe, unsere JEs zu auditieren. Insgesamt sind wir 32 verschiedene Mitgliedsinitiativen an 30 verschiedenen Standorten in ganz Deutschland – in Berlin und in Münster gibt es zwei Initiativen. Mitglied kann man bei uns werden, wenn man gewisse Qualitätsstandards erfüllt. Geleitet wird der BDSU von fünf Vorständen, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit, die Unternehmenskontakte, das Netzwerk, das Qualitätsmanagement und um Finanzen und Recht kümmern.
Michael: Die verschiedenen Verbandsinitiativen stehen auf der 1. Stufe und der BDSU steht als Dachverband über ihnen. Wir vereinen das Wissen aus allen Initiativen und versuchen, den Austausch untereinander zu fördern, damit die anderen auch von den Herausforderungen, die bei einer Initiative aufgetreten sind, wissen und erfahren, wie sie damit umgehen können können. Der Kerngedanke unseres Netzwerks ist, dass wir uns gegenseitig unterstützen.
Wie seid ihr denn zur studentischen Unternehmensberatung und später zum BDSU gekommen?
Janina: Bei mir war es ehrlich gesagt ganz klassisch durch ein Plakat, das ich an der Uni hängen sehen habe. Ich wäre fast zu spät zum Infoabend gekommen, war dann aber dort und war echt geflashed von dem Redner, der eine ziemliche Show abgeliefert hat. Das fand ich super inspirierend. Anschließend bin ich zu JMS gegangen. Dort gibt es einen 6-monatigen Aufnahmeprozess, bei dem man ein kleines, internes Projekt durchführt und verschiedene Schulungen zu Themen wie PowerPoint-Präsentation, Excel, Qualitätsmanagement, Vereinsorganisation und -strategie erhält. Man wird erstmal ausgebildet in diesen sechs Monaten. Ich habe damals das Presse-Ressort übernommen – das heißt, alles was mit Webseite, Social Media, Newsletter und Ähnliches zu tun hat. Ich habe das Ressort ein Jahr lang geleitet und mir danach eine andere Aufgabe gesucht.
Nachdem ich bei JMS schon das Presse-Ressort betreut habe, habe ich mich dann um die Website des BDSU gekümmert und die ein Jahr lang begleitet. Dabei habe ich gesehen, dass die Vorstände des BDSU auch nur Menschen sind, die mal Fehler machen und, dass das vollkommen in Ordnung ist, weil sie es einfach ausprobieren. Dann dachte ich mir „Hey, du hast schon so oft überlegt, ob du Vorstand machst. Du kannst das auch“ und habe mich dazu entschieden, zu kandidieren.
Michael: Ich bin über den Mathe-Vorkurs zu JMS gekommen, weil unsere Übungsleiterin dort auch aktiv war und das Konzept vorgestellt hat. Ehrlich gesagt wusste ich am Anfang nicht genau, was mich erwartet. Ich war dann ziemlich beeindruckt, wie man innerhalb von relativ kurzer Zeit eine krasse Lernkurve hinlegen kann. Ich bin dann nach meiner Anwärterphase direkt Vorstand für Qualitätsmanagement bei JMS Augsburg geworden. In der Zeit habe ich dann die andere Perspektive des Audits erlebt – also nicht zu auditieren, sondern auditiert zu werden. Ich habe in dieser Zeit aber auch die Ausbildung zum Auditor gemacht, damit ich auch andere JEs auditieren darf. So ist bei mir dann auch die Bindung in den BDSU gekommen. Mir hat es gefallen, dass man dort einen besseren Überblick über die studentischen Beratungen als Ganzes bekommt, weil man dort auch den Vergleich zwischen den einzelnen Beratungen hat. Und die Aufgaben sind nochmal auf einem anderen Niveau. Es ist schon verrückt, wenn man überlegt, dass man zum Beispiel Umfragen durchführt, die eine deutschlandweite Ebene abbilden. Das gibt einem ein gewisses Extra, das ein normaler Studierender, der seinen Bachelor einfach in sechs Semestern durchzieht und nur Vorlesungen gehört hat, vielleicht nicht hat.
Wie viel Zeit steckt ihr denn in euer Vorstandsamt?
Janina: Ich habe das mal getrackt. Während meiner Bachelorarbeit habe ich so 25 bis 30 Stunden in der Woche reingesteckt. Aber jetzt ohne die Bachelorarbeit sind es schon mehr als 40 Stunden, meistens 42 bis 45 Stunden in der Woche.
Michael: Ich bin ehrlich, ich habe das Tracking aufgegeben, weil mir der Aufwand zu hoch war. Als ich zwischen August und Oktober unterwegs war, habe ich jeden Tag etwa 7 Stunden für das Audit und 4 Stunden für die Vorbereitung investiert. Das Tagesgeschäft läuft aber trotzdem weiter und dann kommt man so auf 50 bis 60 Stunden in der Woche in den stressigen Zeiten. Aber genau diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass ich stressige Phasen mit dem ganzen Hin- und Herreisen meistern kann, was auch für das spätere Arbeitsleben eine wichtige Erkenntnis war.
Wie vereint ihr diesen großen Zeitaufwand mit Freunden, Familie und Hobbys?
Janina: Die Arbeit wird teilweise auch zur Familie (lacht). Nein, es funktioniert schon. Ich spiele nebenbei Volleyball zweimal die Woche und schaffe es trotzdem noch, Freunde zu treffen. Ich glaube, dass der Freundeskreis sich sehr angleicht. Ich merke zum Beispiel, dass Freunde in der Heimat eher weniger verstehen, was ich da mache und dann hat man mehr mit Leuten zu tun, die etwas Ähnliches machen wie man selbst. Man braucht schon ein saugutes Zeitmanagement, aber dann funktioniert es und es bleibt noch Zeit für Anderes.
Michael: Das auf jeden Fall – ich hatte jetzt zum Beispiel nebenbei immer noch Klavierunterricht. Man kann dann zwar nicht mehr so viel Zeit in das Hobby investieren, wie man es früher mal gemacht hat, aber man gewöhnt sich an den Zeitaufwand. Und ab einem gewissen Punkt wird es zur Selbstverständlichkeit, dass man früh aufsteht und seine Sachen erledigt. Der Tag hat 24 Stunden und wenn man davon 8 arbeitet, kann man sich immer noch ein paar Stunden rausnehmen.
Was ist euer Antrieb? Was sorgt dafür, dass ihr bereit seid, so viel Zeit zu investieren? Euer Vorstandsamt ist ja ein reines Ehrenamt.
Janina: Ich finde das Thema Marketing und Öffentlichkeitsarbeit super spannend und merke, dass es mir „hands on“ sehr viel mehr Spaß macht, als die Theorie dahinter. Deswegen war mir klar, dass ich mich in diesem Bereich mehr engagieren möchte. Ich designe auch immer noch gerne – wenn mir jemand seinen Lebenslauf zuschickt und ich den gestalten darf, ist das das Highlight meines Tages (lacht). Und wer kann behaupten, dass er in seinem Studium als 22-Jährige ein Team von 10 bis 15 Personen geleitet hat? Du repräsentierst 3.000 Studierende und sammelst eine Führungserfahrung, die du wahrscheinlich erst wieder als Abteilungsleiter und CEO erleben wirst. Warum das nicht jetzt alles ausprobieren?
Michael: Wenn ich irgendetwas habe, das mir Spaß macht, dann nehme ich mir die Zeit und investiere sie da voll rein. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich meinen Job auch gut machen will, wenn ich mich zu etwas verpflichte. Auch wenn es 10 Stunden dauert, bis die PowerPoint fertig ist und nochmal 10 Stunden, um das Feedback einzuarbeiten. Wenn man am Ende damit zufrieden ist und sieht, dass es gut geworden ist, dann ist das Motivation genug.
Janina: Und man bekommt hier ganz andere Aufgaben als in jedem anderen Werkstudentenjob oder Praktikum, zum Beispiel ein Audit durchzuführen oder das Marketing von Grund auf aufzubauen. Ich möchte meine eigenen Ideen umsetzen und selbst dafür verantwortlich sein. Vor kurzem hat mich eine Freundin auch darauf aufmerksam gemacht, dass ich einen Verband leite, der größer ist als das Dorf, aus dem ich komme (lacht).
Was fasziniert euch an eurer Tätigkeit am meisten?
Janina: Ich glaube, bei mir ist es die persönliche Weiterentwicklung, die man durchlebt. Man muss sich so oft mit sich selbst auseinandersetzen in diesem Vorstandsamt, weil man einfach so viel Zeit investiert. Man stößt auch immer wieder an seine persönlichen Grenzen. Es gibt Phasen, da hat man keine Lust mehr oder alles ist blöd. Jeder redet einem rein, jeder weiß es besser, jeder hinterfragt dich und du musst dich dann wirklich durchsetzen und aufraffen können. Ich merke das immer wieder, wenn ich an Punkte stoße, an denen ich gerne alles schmeißen würde, weil ich keine Lust mehr habe, so viel Zeit zu opfern. Und wenn ich mir dann alles aufschreibe, weshalb ich das eigentlich machen wollte, sehe ich, dass ich es auch weiterhin machen sollte. Man geht auch gestärkter und selbstbewusster aus so einem Amt raus. Ich traue mich mittlerweile Sachen, die ich mir vor eineinhalb Jahren noch keinen Meter zugetraut hätte.
Andererseits finde ich es auch einfach super interessant, mit Menschen zu arbeiten. Später, wenn man im Beruf in einer vergleichbaren Position ist, hat man ja meistens Mitarbeiter, die angestellt sind. Aber bei uns ist es so, dass internes Engagement nicht entlohnt wird. Und das ist manchmal echt schwierig, Leute dazu zu bringen, dass sie etwas für dich machen, ohne dass sie Geld dafür bekommen – also du musst sie intrinsisch motivieren. Das ist ein wahnsinniger Soft Skill, den man da erlernt. Das hilft einem bestimmt später, wenn man Leute bändigen muss, die sogar Geld dafür bekommen.
Michael: Bei mir ist es eine ähnliche Motivation. Was ich immer beeindruckend finde ist, wenn Außenstehende einen beurteilen und für die Entwicklung loben. Man selbst nimmt diese Entwicklung meistens gar nicht so wahr, wie man sich verändert, erwachsener wird, Aufgaben anders annimmt und sich selbst präsentiert. Da kann man wahnsinnig viel mitnehmen. Wenn man sich das vor Augen führt, ist es den Aufwand auf jeden Fall auch wert, den man nebenbei hat.
Wie geht ihr persönlich mit der Verantwortung um, die ihr tragt?
Michael: Also während der Audit-Phase habe ich nicht so viel darüber nachgedacht, weil man dann in diesem Tunnel ist, rational beurteilen zu müssen. Natürlich stellt man sich immer die Frage, ob man gerade gerecht bewertet, weil man eine einheitliche Linie bei allen 32 Prüfungen einhalten muss – das ist sehr schwierig. Aber man kann auch seine Motivation daraus ziehen, wenn man sich in dem Moment bewusst macht, dass man verantwortlich ist. Wir sind momentan in einer Position, in der wir so viel Verantwortung tragen, wie wir es wahrscheinlich die nächsten 10, 20 Jahre erstmal nicht tun werden. Natürlich gibt es immer die Gefahr, Fehler zu machen. Aber dadurch, dass auch Fehler akzeptiert werden, hat man eine gute Ausgangssituation. Außerdem bekommen wir viel Unterstützung. Im Vorstandsamt hat man zum Beispiel den Beirat, der einem zur Seite steht. Und man bringt ja ein gewisses Selbstbewusstsein mit, das man in einer Führungsposition haben sollte.
Janina: Es ist auch ok zu merken, dass man mal an seine psychischen Grenzen stößt oder das Gefühl hat, die Arbeit wird einem zu viel. Es ist auch für später wichtig, diese Grenze zu finden. Vielleicht stellt man fest, dass man keine drei Geschäftsreisen nacheinander schafft oder ein freies Wochenende braucht. Oder man sieht, dass man doch mehr schafft und über diese Grenze hinauswächst.
Für Studenten seid ihr wahrscheinlich sehr strukturiert und organisiert. Was haltet ihr von Kommilitonen, die eher das klischeehafte Studenten-Leben führen? Also Prüfungen schieben, spät aufstehen, viel Freizeit haben und so weiter…
Janina: Ich find es geil (lacht). Ich liebe mein Studium ja auch und habe meinen Bachelor deswegen in 8 Semestern gemacht. Jeder wie er mag. Manchmal wünsche ich mir, ich würde mich weniger engagieren, weil ich dann mehr Zeit für mich und zum Chillen hätte. Gehört auf jeden Fall dazu und ich freu mich auch wieder auf die Zeit nach dem Vorstandsamt. Ich muss nicht die ganze Zeit 40 Stunden pro Woche arbeiten. Im Urlaub freue ich mich auch einfach mal, nichts zu machen. Es heißt ja auch nicht, dass die anderen Studenten gar nichts machen. Sie legen ihren Fokus vielleicht eher auf Soziales und treffen sich viel mit Freunden.
Michael: Die ganze Zeit nichts zu tun ist kein Lebensstil, mit dem ich mich identifizieren kann. Mir wird dann sehr schnell langweilig und ich suche mir andere Beschäftigungen. Aber wenn das für jemanden der richtige Weg ist, dann ist das vollkommen in Ordnung. Es hat eben jeder eine andere Work-Life-Balance.
Schnellfrage-Runde:
Presstige: Lieber in die Maha Bar oder lieber ins Kesselhaus (vor Corona)?
Janina: Kesselhaus.
Michael: Genauso.
In der Mensa lieber Asia-Theke oder Nudel-Theke?
Michael: Mhm, Asia.
Janina: Asia nur, wenn es Reis mit Erdnuss-Soße gibt.
Passend zum Online-Semester, lieber Zoom oder Skype?
Janina: Teams!
Michael: Kann ich mich anschließen, Teams. Ich bin kein Fan von Zoom. Wir arbeiten fast nur über Teams.
Lieber in der Bib lernen oder zu Hause?
Michael: Bib, da kann ich mich mehr motivieren, was zu machen. Zu Hause habe ich zu viel Ablenkung.
Janina: Ich glaube, ich nehme zu Hause. Aber es ist sehr unentschlossen.
Lieber Studium oder BDSU?
Beide: (lachen) BDSU!