Bachelor, Master, CEO?

Zwischen Gründerstories und Erfolgsgeschichten – die Augsburger Startup Szene

So sieht gemeinsames Arbeiten hoffentlich bald wieder aus. © pixabay

Der heutige Teil der Startup-Reihe dreht sich nicht um erfolgreiche Gründer:innen in Augsburg, sondern richtet sich an diejenigen, die es werden wollen. An Universität und Hochschule gibt es gut ausgebaute Angebote, die Studierenden bei ihren Plänen unter die Arme greifen. Haben Universität und Hochschule das Zeug zu Top-Gründungs-Hochschulen?

Der Hörsaal der Löwen geht in die achte Runde

Franziska Bartenschlager, Saskia Reuter und Ramona Sandvoss machen den Anfang dieses Jahr, beim Hörsaal der Löwen. Die Veranstaltung der Hochschule Augsburg wird bereits zum achten Mal erfolgreich durchgeführt. Die drei Studierenden spielen den rund 60 Zuhörenden über Zoom ein Video vor: Michael, der Logistikleiter einer Firma, steht vor dem Problem, dass die LKWs, mit denen Waren an Kund:innen geliefert werden, oft nicht effizient beladen werden. Dadurch werden mehr LKWs benötigt, um die Ware auszuliefern und der Bedarf an Fachkräften, die Kosten und der CO2-Ausstoß steigen. Bartenschlager, Reuter und Sandvoss haben mit ihrem Startup VisoTec eine Lösung für dieses Problem entwickelt. Durch künstliche Intelligenz sollen die Frachträume der LKWs optimal beladen werden. Sie sind sich sicher, dass sie damit eine Marktlücke bedienen und ihr Startup groß rausbringen werden. Davon ist auch die Jury überzeugt: Die drei Studierenden gewinnen den Hauptpreis beim Hörsaal der Löwen.

„Die Idee ist super. Und dann noch ein Startup von drei Frauen, das ist neu in der Logistik“ lobt Jury Mitglied Michael Brecht die Gewinnerinnen. Gemeinsam mit den anderen Teams haben sie den Kurs Start-up Thinking von Martin Plöckl belegt und dabei ihre eigenen Startup-Ideen (weiter)entwickelt. Neben dieser Veranstaltung gibt es an der Hochschule auch Einzelcoachings für Gründungsinteressierte oder eine wöchentliche Gründungssprechstunde. Die Initiative HSA_digit richtet sich außerdem speziell an Studierende mit digitalen Geschäftsmodellen. Die Hochschule legt sich also mächtig ins Zeug, um Studierende bei ihren Startup-Ideen zu unterstützen. Damit ist sie nicht allein: Auch an der Uni Augsburg werden seit einiger Zeit die Angebote für Gründungsinteressierte ausgebaut.

Als Startup wird ein junges Unternehmen bezeichnet, das über ein innovaties Geschäftsmodell und das Potenzial verfügt, schnell zu wachsen.

Zwei Millionen für das Projekt „Potenziale heben in Augsburg“

Um die Startup- und Gründungskultur an der Universität Augsburg weiterzuentwickeln, startete im Mai letzten Jahres das Projekt Potenziale heben in Augsburg, kurz: PiA. Mehrere Einrichtungen schlossen sich zusammen und setzten sich in einem Wettbewerb mit 220 miteifernden Universitäten durch. Zwei Millionen Euro Fördergeld erhalten sie dafür vom Bundesministerium für Wirtschaft. „Die Universität Augsburg hat damit ihre Position als bedeutender Impulsgeber in einer zunehmend gründungsintensiven Region eindrucksvoll unterstrichen“ sagt Erik Lehmann, Wirtschaftsprofessor und Leiter des Projekts. Tatsächlich entwickelt Augsburg sich zunehmend zur Gründungsstadt. Im Vergleich zu Schwaben und Bayern steigt die Zahl der Startups hier schneller. Der Trend gehe zu innovativen Tech-Startups, die auch von Studierenden der Hochschule und der Universität ins Leben gerufen werden.

Wie sieht die Unterstützung an der Uni aus? „Das PiA-Projekt untergliedert sich in zwei Teilprojekte, aus denen ein Maker Space MakeHub und ein Innovations- und Gründungszentrum StartHub entstehen. Die vorhandenen Gründungsangebote wie Beratung, Coaching, Events und Lehrveranstaltungen werden im Rahmen des StartHub professionalisiert und intensiviert und um das MakeHub sowie vier Prototypen-Labore erweitert“ berichten Lucia Plobner und Dominik Wilhelm auf Anfrage von presstige. Die beiden sind die Ansprechpersonen beim StartHub Innovations- und Gründungszentrum. Mit einer ersten Idee seien Studierende und Mitarbeitende in der Gründungsberatung genau richtig. Ideal verlaufen die Gespräche, wenn Interessierte bereits ein kurzes Ideenpapier oder einen ersten Plan des Geschäftsmodells mitbringen – das könne dann aber auch im Erstgespräch geklärt werden.

„Erfolgsfaktor einer Gründung ist die Interdisziplinarität der Teammitglieder“

Die meisten Anfragen für Gründungsberatungen kommen derzeit aus der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und der MNTF, so Plobner und Wilhelm. Dabei existiere in allen Fachbereichen Wissen, das für Gesellschaft und Wirtschaft nutzbar gemacht werden kann. Ein interdisziplinäres Team kann außerdem in vielen Fällen einen Erfolgsfaktor darstellen. Die vier Gründungsmitglieder des Startups Boxbote waren zum Beispiel in verschiedenen Bereichen tätig, als sie sich zusammenschlossen. Jeweils ein Gründer war für die technischen Aufgaben, die Abwicklung des Verkaufs, die kreative Weiterentwicklung und die Logistik zuständig. Mitgründer Raimund Seibold, der mit presstige schon über sein Startup Boxbote gesprochen hat, sitzt übrigens auch regelmäßig in der Jury des Hörsaals der Löwen.

Gründungsgeist der Studierenden litt nicht unter der Pandemie

Aufgrund der Pandemie erleben viele Unternehmen Umsatzausfälle, Investitionen gehen zurück. Manche Geschäftsbranchen trifft es härter als andere. Maximilian Eller, Gründer des Startups Jim‘s Geschmackszirkus berichtete presstige, dass er sich letztes Jahr viele Sorgen um seinen Foodtruck machte und seine Geschäftsidee schließlich an die aktuelle Situation anpassen musste. Anstatt auf Foodfestivals präsent zu sein, stellt er seinen Foodtruck jetzt vermehrt an wechselnde Standorte und bietet Mittagessen für Berufstätige an.

War die Pandemie auch in der Nachfrage nach Gründungsberatung an der Universität zu spüren? „Seit Projektstart setzen wir alle Events, Lehrveranstaltungen und die Gründungsberatungen digital um – das klappt wunderbar. Es hat unter anderem sogar den Vorteil, dass Interessierte unabhängig vom Aufenthaltsort unsere Angebote wahrnehmen können“ entgegnen Plobner und Wilhelm auf diese Frage. Auch Event-Catering sei möglich: Bei einem der digitalen Events wurden die Teilnehmenden mit Pizzen aus Augsburg bewirtet. Trotzdem freuen sich auch die Beratenden, sobald wie möglich wieder auf den persönlichen Kontakt umzustellen.

Die Teilnehmenden des StartHub Events mussten nicht auf eine Bewirtung verzichten: Die Veranstatler_innen ließen ihnen Pizza an die Haustür liefern. © Universität Augsburg

Die Sichtbarkeit weiblicher Vorbilder bei der Unternehmensgründung ist wichtig

Auch wenn die Nachfrage unter der Pandemie nicht gelitten hat, ist Nachfrage doch nicht bei allen da. Die Startup-Szene ist eine von Männern dominierte Szene – noch immer. Nur bei ungefähr 16% der Neugründungen in Deutschland sitzt eine Frau mit im Gründungsteam. Alleinige Gründungen von Frauen kommen noch seltener vor. Das liegt sicherlich auch an der oft unterschiedlichen Studienwahl und Interessensgebieten, kann aber nicht die ganze Erklärung sein. 

Quelle: Female Founders Monitor 2020, eigene Darstellung

„Die Sichtbarkeit weiblicher Vorbilder und die Vernetzung sind hier sehr wichtig“ haben die Mitarbeitenden bei PiA erkannt. Obwohl sich einiges tue, gebe es immer noch systemische Probleme, wie beispielsweise fehlende weibliche Investorinnen. Dieses Problem könne die Uni natürlich nicht eigenständig lösen. Für die Zukunft plane man aber auch ein Event, das sich vornehmlich an potentielle Gründerinnen richtet.

Beim Hörsaal der Löwen kamen diesmal zwei starke Startup-Ideen von Frauenteams. Sie traten gegen vier Teams ihrer männlichen Kommilitonen an. Das Potenzial weiblicher Studierender, die Startup-Szene zu prägen, ist da. 

Hinkt die Universität der Hochschule in Sachen Gründungen nach?

Hochschulen sind praktischer ausgelegt als Universitäten, die sich in der Regel eher auf Forschung konzentrieren. Dass es wahnsinnig wichtig ist, Gründungsinteressierten praxisnahe Unterstützung zu vermitteln, haben erfolgreiche Gründer unserer Reihe betont. Es sei wichtig, aus dem tatsächlichen Alltag von Unternehmen zu lernen – viel von diesem zusätzlichen Wissen lerne man nicht in Bildungsinstitutionen. „Es gibt wenig Kurse, bei denen du so viel Praxis in kurzer Zeit kennenlernst“ merkt ein Studierender am Ende des Hörsaals der Löwen an. Er habe hier sehr viel von der Expertise erfahrener Gründer:innen mitgenommen. An der Uni starten bald mehrere Softskillkurse für Gründungsinteressierte, die von StartHub und Career Service gemeinsam angeboten werden. Eine Anmeldung ist noch bis 02.Februar möglich.

Da ist noch Luft nach oben: Das sind die Top-10-Gründungshochschulen Deutschlands
Quelle: Deutscher Startup Monitor 2020, eigene Darstellung

Die Arten der Gründung sind an Hochschule und Universität oft verschieden. „Viele Gründungen an der Universität ergeben sich beispielsweise aus den Forschungsergebnissen einzelner Institute oder den jeweiligen Dissertationen. Die daraus resultierende Geschäftsidee ist oftmals sehr komplex und richtet sich daher an einen Expertenkreis, wodurch sie für die Allgemeinheit nicht so gut sichtbar ist“ sagen Plobner und Wilhelm. Die Universität kann ihren Forschungsschwerpunkt nutzen und davon profitieren.  So war es bei Timm Tränkler und seinen Mitgründern: Sie alle promovierten an der Universität zum Thema Energieeffizienz und nutzen ihr Fachwissen zur Gründung des Startups credium. „Die Idee zu credium ist dabei mehr oder weniger aus unserer Forschung heraus entstanden“ erzählte Tränkler im Interview mit presstige.

Immer auf der Suche nach Problemen?

Beim Thema Unternehmensgründung kann das sogar konstruktiv sein, berichten Plobner und Wilhelm. Da Unternehmen in der Regel ein Problem einer bestimmten Zielgruppe lösen wollen, steht der Suche nach einer Geschäftsidee die Suche nach einem Problem voran. Ein passendes Beispiel ist das Startup FarmAct: Gründer Daniel Janku fuhr schon als Kind bei den Landwirten von Nachbarshöfen mit und erkannte früh, dass die vorherrschende Zettelwirtschaft Probleme schaffen kann. Während seines IT-Studiums entwickelte er dann eine Lösung für dieses spezifische Problem, wie er im Interview mit presstige berichtete. Durch eine Software können alle Informationen eines Betriebs gesammelt werden, die dann immer griffbereit und an einem Ort zu finden sind.

Probleme können also nicht nur im Studium, sondern auch im Alltag oder der Gesellschaft gefunden werden. Die Kunst besteht darin, eine nutzerorientierte Lösung dafür zu entwickeln. Oft braucht es mehrere Ideenschleifen, bis etwas Brauchbares dabei ist. Am Ende ist aber entscheidend, dass man es einfach tut.

Herzlichen Dank an Lucia Plobner und Dominik Wilhelm für die Beantwortung unserer Fragen.