Es ist mittlerweile Mitte März und die meisten von uns haben die Klausuren schon hinter sich und sind in den Semesterferien angekommen. Zu Beginn dieses Wintersemesters ist der erste Artikel unserer Reihe rund um die Start-up-Szene in Augsburg online gegangen.
Angefangen mit boxbote über die Start-up Angebote der Uni Augsburg, den Hörsaal der Löwen bis hin zu den Gründern von Little Lunch – wir haben uns einen breiten Überblick über die Start-up Landschaft in Augsburg verschafft!
Zum Ende unsere Reihe haben wir uns mit xentral getroffen. Das Augsburger Unternehmen ist mittlerweile alles andere als ein kleines Start-up. Welche Produkte und Dienstleistungen xentral anbietet, warum in Verbindung mit dem Unternehmen immer wieder der Name Frank Thelen fällt und weshalb man sogar im Silicon Valley den Namen xentral kennt, das haben wir für Euch herausgefunden!
Xentral wurde ursprünglich 2008 vom Gründerpaar Benedikt und Claudia Sauter als projects GmbH in Augsburg gegründet. Der studierte Informatiker wusste schnell, dass er sein eigener Chef sein will und machte sich deshalb nach Abschluss seines Studiums gemeinsam mit seiner Frau selbständig. Zu Beginn produzierten sie Mikrocontroller-Platinen, die über einen eigenen Online-Shop verkauft wurden. Als Mikrocontroller werden Halbleiterchips bezeichnet, die einen Prozessor und zugleich auch Peripheriefunktionen enthalten. Die Nachfrage und der Kundenstamm wuchsen schnell.
Um den Überblick zu behalten und effizient arbeiten zu können, waren die Gründer auf der Suche nach einem Warenwirtschaftssystem, das auf Linux läuft und flexibel erweitert werden kann. Nach langer erfolgloser Suche, entschied sich Entwickler Benedikt Sauter die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er programmierte eine eigene Warenwirtschaftslösung auf Basis von Open-Source-Technologien. Ein Hardware-Kunde wurde zufällig auf die Software aufmerksam und wollte sie für seine eigenen Zwecke nutzen. Sauter passte die Version entsprechend an und entwickelte eine individuelle Lösung für seinen Kunden. Die Kundenzahl wuchs und das ERP-System verkaufte sich sehr gut. Der Softwareverkauf lief im Jahr 2017 um einiges besser als der Hardwareverkauf und das Gründerpaar entschied sich, nach Austausch mit verschiedenen Experten der Augsburger und Münchner Gründerszene, die Hardware-Produktion einzustellen und sich ganz auf ihre Software zu konzentrieren. Mittlerweile arbeiten bei xentral über 65 Mitarbeiter.
Zwischen Gründerstories und Erfolgsgeschichten – Die Augsburger Start-up Szene
Sie haben mit xentral eine Business Software entwickelt, um Unternehmen in Ihrer Planung, Steuerung und Entwicklung zu unterstützen. Was macht Ihr Start-up in diesem Bereich so revolutionär? Zu welchem Problem haben Sie mit Ihrem Start-up eine erfolgreiche Lösung gefunden?
xentral ist eine leane ERP-Cloud-Software mit der Power sämtliche Geschäftsprozesse zentral an einem Ort zu bündeln – von E-Commerce, Lager, Produktion, Fulfillment bis zur Buchhaltung. Einfacher, intuitiver und flexibler: Mit über 1.000 Funktionen und Schnittstellen zu allen namhaften Tech Tools kann jedes Business mit xentral ERP seine individuellen Prozesse Schritt-für-Schritt selbst digitalisieren und automatisieren. Das ermöglicht Unternehmern mehr Freiraum und hebt Potenziale für smartes, effizientes Wachstum.
xentral löst das kritische Problem der Backend-Prozesse für E-Commerce-KMU mit einem einfach zu bedienenden, modularisierten Ansatz und intuitiven Workflows, die Kunden lieben. Bisherige ERP-Lösungen sind eher für größere Firmen gemacht und schlichtweg für viele kleinere Unternehmen zu teuer und zu kompliziert in der Implementierung. Wir setzen auf Einfachheit. Unsere Software ist intuitiv, man muss kein IT-Nerd sein um seine Geschäftsprozesse einzurichten. Ganz neu ist unser Learning Dashboard. Mit Hilfe eines digitalen Assistenten und Erklär-Videos lässt sich xentral super einfach einrichten. Step für Step, nur das, was man wirklich gerade braucht. Später kann man flexibel erweitern.
ERP ist die Abkürzung für Enterprise Resource Planning, übersetzt Geschäftsressourcenplanung. ERP-Systeme sind betriebswirtschaftliche Softwarelösungen zur Steuerung von Geschäftsprozessen. Mit ihnen werden betriebliche Ressourcen wie Kapital, Personal oder Produktionsmittel bestmöglich gesteuert und verwaltet.
(Quelle: www.softselect.de)
Lean ERP ist eine Software mit einer sehr schlanken Architektur. Angelehnt an die Lean Production oder das Lean Development steht die Optimierung der Abläufe innerhalb deines Unternehmens im Fokus.
(Quelle: www.xentral.com)
Die Konkurrenz für ERP-Softwares ist groß. Wie schaffen Sie es, sich hier zu etablieren? Was hebt Sie von anderen ab?
Wir gehen neue Wege und wollen die verstaubte ERP-Branche revolutionieren. Was eingangs beschrieben wurde, sind sehr innovative Ansätze, die bei klassischen ERP Anbietern so nicht zu finden sind. Außerdem haben wir uns gezielt auf KMU spezialisiert. Kleine bis mittelständige Unternehmen brauchen schnelle, unkomplizierte Lösungen – genau das bieten mit einer super flexiblen Software.
Seit 2017 verkauft xentral keine Hardware mehr, sondern fokussiert sich ausschließlich auf den Vertrieb der ERP-Software. Wie blicken Sie heute auf diese Entscheidung zurück?
Diese Entscheidung war definitiv ein Meilenstein der Firmengeschichte. Was das Unternehmen natürlich sehr geprägt hat war der Einstieg der Investoren, zunächst Frank Thelen mit Freigeist Capital, dann Christian Reber, vor kurzem Sequoia Capital und Visionaries Club. So viele Experten an Bord zu haben verändert vieles. So gab es 2019 ein komplettes Rebranding, die komplette Software wurde optisch modernisiert und die User Experience verbessert. Weitere Meilensteine in der Geschichte von xentral, die das Startup weiter nach vorne gebracht haben.
Im August 2017 wurden erstmals Investoren auf xentral aufmerksam. Vier Food-Startups wandten sich an Benedikt Sauter. Die Start-ups waren alle Teilnehmer der Sendung „Die Höhle der Löwen“, einer TV-Show für Gründer.
Die Start-ups gingen durch die Decke und erhielten bereits während der Ausstrahlung bis zu tausende Bestellungen pro Stunde. An dieser Stelle kam Gründer Benedikt Sauter ins Spiel. Alle Start-ups benötigten ein Warenwirtschaftssystem, das hochleistungsfähig und trotzdem leicht zu bedienen ist. Das Team von xentral schob Nachtschichten ein und war teilweise während der Ausstrahlung bei den Start-ups vor Ort, um im Notfall technisch unterstützen zu können.
Alle vier Start-ups, die xentral mit Software betreute, erhielten ein Investment von Frank Thelen, Investor und CEO von Freigeist Capital. Die Gründer der Food Start-ups waren begeistert von der Anwendung von xentral. Daraufhin schaute sich Alex Koch, Mitgründer und CTO der Investmentfirma von Frank Thelen die Augsburger Software genauer an. Er war mehr als angetan und wollte das Team hinter xentral genauer kennenlernen und fuhr von Bonn nach Augsburg. Das Arbeiten des Teams in Augsburg überzeugte ihn. Er berichtete Frank Thelen von xentral und sie entschlossen sich Teil von des Start-ups zu werden und schickten dem Augsburger Unternehmen ein Angebot. Xentral reagierte allerdings erstmal nicht auf das Angebot, was bei Frank Thelen für Verblüffung sorgte. So etwas gab es noch nie, dass auf ein Angebot von Frank Thelen nicht reagiert wurde.
Für das Gründerpaar war jedoch klar, dass die Kunden an oberster Stelle stehen und sich erst danach um die Geschäftsentwicklung und das Marketing gekümmert wird. Frank Thelen und Alex Koch blieben aber hartnäckig. Durch ihre Erfahrungen mit anderen ERP-System wussten sie, dass xentral enormes Potenzial hat, eine echte Konkurrenz zu den großen Softwareherstellern zu werden. Daraufhin hat xentral das Angebot angenommen und es dadurch geschafft, seinen Umsatz 2020 zu verdreifachen.
Dieser gesteigerte Umsatz blieb natürlich nicht unbemerkt. So wurde auch Christian Reber, der Wunderlist- und Pitch-Gründer auf xentral aufmerksam. Er beteiligt sich mit einem Millionenbetrag am Augsburger Software-Unternehmen.
Außerdem wurde Sequoia Capital, einer der erfolgreichsten IT-Venture-Capitalists aus dem Silicon Valley, auf xentral aufmerksam. Dieser investiert zusammen mit dem Visionaries Club, einem VC-Fond aus Berlin 16,5 Millionen Euro. Xentral wird die Finanzierung für die Produktentwicklung, den Ausbau des Teams sowie die Expansion verwenden – zunächst auf paneuropäischer Basis und längerfristig auch in Großbritannien und den USA.
Gibt es für Sie Herausforderungen durch die Corona-Krise oder würden Sie sich eher aufgrund der boomenden Branche zu den Gewinnern zählen?
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung von Unternehmen ist. Wir haben eine deutlich gesteigerte Nachfrage an unserer Business-Software gespürt. So schlimm, wie die aktuelle Situation ist, für uns hat sich das Geschäft tatsächlich extrem positiv entwickelt. Viele Unternehmen mussten feststellen, dass ihre Prozesse nicht so digital und lean aufgestellt sind, wie es die Corona-Situation erfordert. Auch haben viele, die ein Ladengeschäft betreiben, einen Onlineshop ins Leben gerufen. Um alle Geschäftsbereiche sauber miteinander zu verbinden, war der nächste Schritt sich ein modernen ERP anzuschaffen, das sich vor allem schnell einführen lässt.
Was sollte ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mitbringen, um sich in Ihrem Unternehmen erfolgreich einbringen zu können?
Wir brauchen Leute, die Lust haben etwas zu bewegen, innovativ denken, eigenverantwortlich anpacken und Lust auf Veränderung haben – bei uns gleicht quasi kein Tag dem anderen. Unser Team besteht aktuell aus über 60 engagierten „Brains“ aus 17 Ländern. Aktuell sind die meisten im Homeoffice und arbeiten Remote, aber das funktioniert alles erstaunlich gut. Der Teamzusammenhalt ist stark. Wir sind trotz der Entfernung durch tägliche Videoschalten und Chats eng miteinander verbunden. Da fällt es gar nicht auf, ob jemand in Augsburg, München oder wie ein neuer Kollege sogar in Istanbul sitzt. Alles hat also auch wieder seine Vorteile.
Warum haben Sie Augsburg als Standort ausgewählt? Welche Chancen bietet Augsburg und ist diese Wahl überhaupt ausschlaggebend für eine Firmengründung?
Wer gründen will, muss nicht unbedingt in die Metropolen ziehen. Gute Ideen können überall entstehen. Auch xentral war mit dem Gründerzentrum Augsburg vernetzt. Hier gibt es viele Möglichkeiten, die man als junge Gründer:innen nutzen kann. E-Commerce ist für die meisten Neugründungen ohnehin das A und O. Ein Onlineshop lässt sich ortsunabhängig betreiben. Also nein, der Standort ist nicht entscheidend. Wichtiger ist es, die richtigen Kontakte zu knüpfen.
Welche Rolle spielt die FH und die Universität für Start-ups?
Hier passiert in den letzten Jahren wahnsinnig viel, vor allem viel Wissensvermittlung. Augsburg braucht sich hier keinesfalls verstecken. Durch spezielle Start-up-Programme und Veranstaltungen werden junge Gründer und Interessierte unterstützt und können sich ein Netzwerk aus Gleichgesinnten aufbauen. Gute Beziehungen zu pflegen, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im späteren Start-up-Alltag.
Inwieweit denken Sie, ist es gerade für Studierende wichtig, sich mit dem Thema Unternehmensgründung und Start-ups auseinanderzusetzen?
Die meisten Studierenden bereiten sich im Studium auf eine spätere Festanstellung vor. Den Blick auf weitere Karrieremöglichkeiten hinsichtlich Unternehmensgründungen zu öffnen, kann für viele ebenfalls interessant sein. Beide Wege haben ihre Vor- und Nachteile, am Ende ist es wahrscheinlich abhängig vom Typ Mensch, welcher Weg der Richtige für einen ist. Am besten beide Seiten mal ausprobieren!
Wo sehen Sie xentral in fünf Jahren?
Mit den frischen Investments streben wir für 2022 die Internationalisierung an. Zunächst steht Europa auf dem Programm, vor allem die DACH-Regionen sowie Großbritannien und die Benelux-Staaten. Der Bedarf auch über Deutschland hinaus, speziell für kleine und mittelständige Unternehmen, nach einer modernen, agilen, schlanken, einfach bedienbaren Business-Software ist enorm. Wir wollen der nächste Hidden Champion werden. Um das zu schaffen, brauchen wir clevere Leute an Bord und suchen daher nach Unterstützung in allen Unternehmensbereichen, wie Vertrieb, Marketing, Finanzen, Kundenservice, Personalmanagement und viele mehr. Unser Bewerbungsprozess ist super einfach und schnell. Ein Anschreiben wollen wir keines von unseren Bewerbern, wir lernen die Personen lieber direkt in einem kurzen Telefongespräch kennen. Wichtiger sind uns die Persönlichkeit, das Mindset und der Team-Fit.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke in die Gründungsstory von xentral und die Einblicke in das Unternehmen!
Zur Webseite von xentral kommt ihr hier.