Ungewollt schwanger, und nun?

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation von presstige mit FragDenStaat und CORRECTIV.Lokal. Das Netzwerk setzt datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit Lokalredaktionen um. Zusammen wurden mehr als 300 öffentliche Kliniken zu Abtreibungen befragt. Die Ergebnisse stehen in einer Datenbank mit weiteren Infos online unter correctiv.org/schwangerschaftsabbruch.

Abtreibungsgesetze stehen momentan in der ganzen Welt zur Diskussion. In Deutschland dreht sich die Debatte darum, ob das Werbeverbot aufgehoben werden soll, während in Texas und Polen die Gesetze verschärft werden. Das Werbeverbot in Deutschland macht es für Personen, die überlegen, ihre Schwangerschaft abzubrechen, schwer, sich im Internet umfassend zu diesem Thema und über verschiedene Praxen und Kliniken zu informieren, die Abbrüche vornehmen. Das geht schlicht nicht. Praxen und Kliniken dürfen zwar darüber informieren, ob sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen oder nicht, die Art und die Methoden der Abbrüche dürfen sie aber nicht aufführen. In Deutschland werden jährlich etwa 100.000 Schwangerschaften abgebrochen. Welche Schritte auf Personen zukommen, die einen Abbruch vornehmen möchten, und auf was dabei geachtet werden muss, wird hier erläutert. Ich habe für euch mit Frau Weiß von pro familia gesprochen, die mir einen Blick hinter die Kulissen dieses komplexen Themas geben konnte.

1. Schwanger, und nun?

Es betrifft weit mehr Frauen als gedacht. Ungewollt schwanger – und was nun? Wenn ein Kind momentan nicht in den Lebensplan stimmt, steht eine Frau vor einer unfassbar schweren Wahl. Was soll sie tun? Das Kind bekommen oder sich dagegen entscheiden? Die häufigsten Gründe für die Entscheidung eines Abbruchs sind nach Frau Weiß ein fehlendes Vertrauen in die Beziehung und Partnerschaft sowie finanzielle Bedenken. Es bestehe ein Idealbild in den Köpfen der Menschen, ab wann Kinder in das eigene Leben passen. Am besten sind beide Elternteile finanziell abgesichert mit einem festen Job und einer passenden Wohnung oder einem Haus. Außerdem gibt es auch Personen, denen nur sehr wenig Geld zur Verfügung steht und zudem besteht in Augsburg eine Wohnungsnot. Will eine Frau ohne festen Wohnsitz oder mit zu wenig Platz, einer zu kleinen Wohnung und zu wenig Geld ein Kind bekommen? Auch ist ein angstfreies Klima bei der Entscheidung sehr wichtig.

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2. Beratungsgespräch ist in Deutschland Pflicht

Vor dem Abbruch muss zwingend ein Termin für ein Beratungsgespräch zu einem Schwangerschaftsabbruch wahrgenommen werden. Dieser kann beispielsweise bei pro familia erfolgen. Hier können alle offenen Fragen geklärt werden und Unsicherheiten besprochen werden. Selbstverständlich ist eine Umentscheidung jederzeit möglich. Zu Corona-Zeiten sind Beratungen zum Teil telefonisch oder per Videocall abgelaufen, jedoch werden sie ansonsten persönlich geführt.

3. Voruntersuchung bei der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt

Eine Voruntersuchung ist vor jedem Eingriff vorzunehmen. Dabei kann die genaue Dauer der Schwangerschaft festgelegt sowie eine Entscheidung zu der Art des Abbruchs getroffen werden. Zusätzlich kann die Ärztin oder der Arzt alle offenen medizinischen Fragen beantworten.
Danach kann der eigentliche Eingriff erfolgen (neben den anderen vorher genannten Schritten).

4. Möglichkeiten der Arten des Abbruchs

Instrumenteller (chirurgischer) Abbruch

Die schonendste Methode des instrumentellen Abbruchs ist die Absaugung (Vakuumaspiration). Diese kann sowohl in örtlicher Betäubung als auch in Vollnarkose durchgeführt werden.
Für die örtliche Betäubung wird rechts und links vom Muttermund eine Spritze gegeben. Oft wird zusätzlich ein Beruhigungsmittel verabreicht.
Bei der Vollnarkose wird das Mittel in die Armvene gespritzt und die Betroffene bekommt vom Eingriff nichts mit. Wie bei einer Vollnarkose üblich, sollte 6h vorher nichts mehr zu sich genommen werden (weder Essen und Trinken, noch Rauchen).
Für den Eingriff selber wird der Gebärmutterhalskanal mit einem Metallstäbchen zunächst erweitert. Danach wird ein dünnes Röhrchen durch den Muttermund in die Gebärmutterhöhle eingeführt. Daran ist das Absauggerät verbunden. Daraufhin werden die Schleimhaut sowie die Fruchtblase abgesaugt. In fünf bis zehn Minuten ist der Eingriff abgeschlossen. Blutungen und Bauchschmerzen nach der Behandlung treten bei einigen Frauen auf, sind jedoch normal.
Es kann auch eine Ausschabung (Curretage) notwendig sein. Das bedeutet, dass mithilfe von Instrumenten die Schleimhaut und die Fruchtblase abgetragen werden.
Nach dem Eingriff darf man im Normalfall nach ein bis zwei Stunden wieder gehen. Eine Nachuntersuchung ist nach etwa 10 Tagen vorzunehmen.
Laut Frau Weiß ist der chirurgische Abbruch die am häufigsten gewählte Methode für einen Schwangerschaftsabbruch.

Medikamentöser Abbruch

Ein medikamentöser Abbruch erfolgt meist mit Mifegyne® (Wirkstoff: Mifepriston). Das ist ein künstliches Hormon, das dem natürlichen Hormon Progesteron ähnelt und die Wirkung von Progesteron blockiert. Progesteron ist entscheidend für die Entwicklung und Erhaltung der Schwangerschaft. Durch das Medikament kommt es zu einer Blutung und einem Abbruch. Zudem sorgt das Medikament für eine Erweichung und Öffnung des Gebärmutterhalses.
Etwa 26 bis 48 Stunden nach der Einnahme des Medikaments erfolgt die Einnahme eines Prostaglandin-Präparates. Dieses fördert die Ausstoßung des Schwangerschaftsgewebes. Zusätzlich wird die Blutungsdauer gesenkt und die Wirksamkeit von Mifegyne® erhöht.
Mifegyne® kann bis zum 63. Tag nach Beginn der letzten Monatsblutung eingenommen werden. Der Beratungstermin muss daher spätestens am Anfang der neunten Woche nach Beginn der Regel durchgeführt werden.
Bei einem medikamentösen Abbruch erfolgen drei Klinik-/ Praxisbesuche.
Der erste Termin dient dazu, herauszufinden, wie lange genau die Schwangerschaft besteht und ob ein medikamentöser Abbruch möglich ist. Falls sich für diesen Weg entschieden wird, werden drei Tabletten von Mifegyne® eingenommen.
Bei dem zweiten Besuch nach ca. 36 bis 48 Stunden erfolgt die Einnahme von Prostaglandin.
Beim dritten Besuch wird die Nachuntersuchung durchgeführt.
Die Wirksamkeit dieser Methode liegt bei ca. 96%. Falls kein Abbruch erfolgt, kann ein instrumenteller Eingriff erfolgen.
Frau Weiß meint, dass die medikamentöse Methode von Ärzt:innen gegenüber Patientinnen oft verharmlost wird. Oft sei es lediglich eine Bereitstellung von sachlichen Informationen zum Vorgang. Viele Frauen würden jedoch an den Schmerzen, die ein solcher Abbruch mit sich bringt, leiden. Die Stärke der Schmerzen und die Blutung fällt sehr unterschiedlich aus. Für die einen ist es wie eine starke Menstruation während bei anderen äußerst starke Schmerzen auftreten können.

Telemedizinischer Abbruch

Ein telemedizinischer Abbruch bedeutet, dass ein medikamentöser Abbruch von zu Hause aus durchgeführt wird. Während des gesamten Prozesses wird eine Video- und Telefonberatung angeboten. Rechtliche Grundlagen werden dabei ebenso wie bei einem Schwanger­schafts­abbruch in einer Praxis oder Klinik beachtet. Die Medikamente werden dabei per Post zugestellt. Davor muss jedoch eine Bestätigung der Schwangerschaft erfolgen und das Beratungsgespräch wie bei einem anderen Abbruch auch durchgeführt werden.
Durch diese Möglichkeit können die Frauen entscheiden, wann, wo und mit wem sie den Abbruch durchführen möchten. Das kann besonders für Personen in Regionen mit schlechter Versorgungslage erleichternd sein oder wenn es aufgrund von Kinderbetreuung schwierig ist, die Behandlung in einer Praxis durchzuführen.
Frau Weiß von pro familia hat hierzu eine klare Meinung. Diese Art des Abbruchs werde verharmlost, sagt sie. Für manche Gruppen sei es sicherlich von Vorteil, aber für Personen, die sehr isoliert sind und keine Gesprächspartner:innen haben, sei es sehr belastend und ein großes Problem. Die medizinische und psychologische Versorgung sei dabei auch viel schlechter als vor Ort bei einer Praxis oder Klinik. Zudem können Personen während des Abbruchs je nach Verlauf dabei auch keine Aufgaben erledigen oder Kinder betreuen. Dadurch ist die Versorgungslücke offensichtlich nicht geschlossen. Diese Art des Abbruchs bietet sich eher für Frauen mit gutem sozialem Umfeld an, wodurch sie bei dem Abbruch nicht alleine sein müssen.

Die Entscheidung, welcher Abbruch für jeden persönlich am besten ist, sollte überlegt getroffen werden und sich mit allen Methoden auseinandergesetzt werden. Welche Aspekte für oder gegen einen medikamentösen Abbruch sprechen, ist auf der pro familia Website zu finden. 

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5. Nach dem Abbruch

Nach dem Abbruch sollte man sich schonen, da man für Entzündungen anfälliger ist als sonst. Es sollte in den ersten Tagen nichts in die Vagina gelangen, damit Entzündungen vorgebeugt werden kann. Gefühle wie Erleichterung oder Traurigkeit sind normal. Zudem muss die hormonelle Umstellung verarbeitet werden. Psychische Probleme sind tendenziell selten. Es können jedoch jederzeit Gespräche bei pro familia oder bei anderen Berater:innen gesucht werden.
Laut Frau Weiß sind die meisten Frauen einfach froh, es hinter sich zu haben und suchen selten erneut das Gespräch mit ihnen. Es gibt allerdings einen Rückmeldebogen über das Gespräch und den Abbruch selbst, den Frauen ausfüllen können.

Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland illegal, sind jedoch nach der Beratungsregel straffrei.  96,4% der Abbrüche finden in Deutschland nach dieser Regel statt. Die kriminologische und medizinische Indikation sind davon ausgenommen und gelten nicht als illegal.

Der Abbruch kann nach einer Beratung unter den folgenden Bedingungen vorgenommen werden:

1. die Befruchtung darf nicht länger als 12 Wochen her sein,
2. die Beratung wurde in Anspruch genommen und die Bescheinigung kann vorgewiesen werden,
3. der Abbruch darf frühestens am vierten Tag nach der Beratung erfolgen,
4. der Abbruch muss von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt werden.

Für einen Schwangerschaftsabbruch werden verschiedene Dokumente benötigt, die zum Eingriff mitzubringen sind. Diese sind im Folgenden aufgeführt.

  • Bescheinigung der Beratung
  • Blutgruppennachweis wenn vorhanden
  • Krankenkassenkarte
  • Überweisung
  • ggf. Kostenübernahmebescheinigung der Krankenkasse
  • Arzthonorar in bar

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen

1. die ärztliche Beratung vor dem Abbruch
2. ärztliche Leistungen und Medikamente vor und nach dem Eingriff mit der Gesundheit im Vordergrund

Die Kosten für den eigentlichen Schwangerschaftsabbruch werden in der Regel nicht übernommen! Es handelt sich dabei um einen Betrag zwischen 200 und 570 Euro. Es kann allerdings ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt werden.

Ein Antrag auf Kostenübernahme ist in Ausnahmefällen möglich. Bei geringem Einkommen (mit Kindern und durch Miete kann sich die Grenze erhöhen) kann ein Antrag auf Kostenübernahme bei den Krankenkassen gestellt werden. Dann werden Teile der Kosten oder die gesamten Kosten von der Krankenkasse übernommen. Dieser muss allerdings eigenständig bei der Krankenkasse und VOR dem Eingriff beantragt werden und schriftlich bestätigt werden. Auch hier können Berater:innen unterstützen.

Bei einem Abbruch mit Indikation wird juristisch von einem Abbruch nach der Beratungsregel unterschieden. Sie sind nach Gesetz sowohl straffrei als auch gerechtfertigt.

Eine medizinische Indikation bedeutet, dass die Gesundheit (körperlich oder seelisch) durch die Schwangerschaft gefährdet ist. Sie kann ebenfalls in Betracht gezogen werden, wenn nach einer pränataldiagnostischen Untersuchung von einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Kindes auszugehen ist. Die Indikation muss von einer Ärztin oder einem Arzt festgestellt werden. Eine umfassende Informationsbereitstellung ist verpflichtend. Bei einem Hinweis auf eine gesundheitliche Schädigung des Kindes müssen der Frau eine Beratung zu medizinischen, psychischen und sozialen Fragen im Zusammenhang mit der möglichen Erkrankung des Kindes geboten werden. Bei dieser Art ist keine gesetzliche Frist in Bezug auf die Schwangerschaftswoche angegeben. Drei Tage Wartezeit vor der Bescheinigung ist allerdings auch hier verpflichtend. Diese ist ausgenommen, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist.

Eine kriminologische Indikation hingegen bedeutet, dass die Schwangerschaft auf einer Straftat beruht. Die Feststellung wird von einem Arzt oder einer Ärtzin bestätigt – nicht durch die Polizei oder Staatsanwaltschaft. Es spielt keine Rolle, ob die Straftat zur Anzeige gebracht wurde. Bei dieser Indikation ist kein Beratungsgespräch verpflichtend. Beratungsstellen stehen jedoch auch hierfür zur Beratung jederzeit Betroffenen zur Seite. Der Abbruch darf zeitlich nur bis zum Ende der vierzehnten Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.  

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