“Lützerath lebt!” -oder? Im Gespräch mit einem Augsburger Studenten und Klimaaktivisten

Wenn du noch mehr zu den bisherigen Geschehnissen aus Lützerath wissen möchtest, schau dir gerne den ersten Artikel von Presstige dazu an:

„Das war ganz klar, dass die Polizei in dem Fall nicht uns geschützt hat, sondern die Profite von RWE im Namen dieser Regierung, die das zu verantworten hat.“

So beschreibt der Augsburger Student Rasmus die in den Medien intensiv diskutierten Geschehnisse in und um Lützerath. Von seinem Studentenleben hatte er für ein paar Tage „Pause“, denn er hat als Klimaaktivist in einem Unterstützungscamp neben „Lützi“ gelebt.  Von dort aus ist er mit Mitstreitenden in den Widerstand gegen die Räumung des Ortes gegangen. Da Lützerath selbst schon vor Ramus‘ Ankunft von Polizeikräften abgeriegelt wurde, unterstützten er, sowie viele andere, den Ort von außen.

Ab dem 11. Januar 2023 wurde der von Aktivist*innen besetzte Weiler Lützerath durch Hundertschaften der Polizei geräumt, damit der Energiekonzern RWE die darunterliegende Braunkohle abbaggern kann. Als die beiden letzten Aktivist*innen aus “Lützi” einen selbst gebauten Tunnel verließen, in dem sie sich zuvor aufgehalten hatten, schlossen Polizist*innen die Räumung nach fünf Tagen ab. Doch das Ende der Räumung bedeutet nicht das Ende des Konflikts, denn die Proteste gehen an anderen Orten im Rheinischen Braunkohlerevier weiter. Was bleibt, ist ein leerstehender Weiler, den RWE-Bagger gerade abreißen, sowie viele Aktivist*innen, die fordern, dass die Bundesregierung die Pariser Klimaziele einhält und die den Polizist*innen während der Räumung und der großen Demonstration am 14. Januar verheerende Polizeigewalt vorwerfen.

Diese Polizeigewalt konnte auch Rasmus beobachten. Wie hat der Augsburger Student seine Zeit in „Lützi“ sonst so erlebt? Was sind bleibende Erinnerungen? Und was hätte er sich von entscheidungstragenden Politiker*innen gewünscht? Presstige hat darüber mit ihm gesprochen.

© Rasmus Noeske
Student und Aktivist Rasmus an der Tagebaukante bei Lützerath © Rasmus Noeske

Hallo Rasmus. Wie lange warst du denn in Lützerath?

Ich war dort drei Nächte, von Mittwoch bis Samstag.

Wie sah dein Alltag während dieser Zeit aus?

Das war sehr unterschiedlich, je nachdem, was man an dem Tag so vorhatte. Wir haben in einem aktivistischen Camp gewohnt, daher war natürlich der Hauptfokus auf aktivistischen Aktionen. Gleichzeitig wurde das Camp von den Aktivist*innen selbst organisiert und getragen, auch da fiel natürlich an den verschiedensten Stellen Arbeit an. Wir haben also viel empowernde Zeit (Anmerk. d. Red.: Empowerment bedeutet die Erhöhung der Autonomie und der Selbstbestimmung von Menschen) mit Mitstreiter*innen gehabt.

Gab es denn einen ausschlaggebenden Punkt, an dem du dich entschieden hast, nach „Lützi“ zu fahren?

Also ich hatte die Problematik rund um Lützerath schon länger im Hinterkopf. Und dann hatte ich in Berichten aus dem Internet wahrgenommen, dass sich die Lage vor Ort stark zuspitzt. Als die Situation ein bisschen eskaliert ist und die Nachrichten kamen, hey wir brauchen jetzt eure Hilfevor Ort, habe ich meinen Moment gesehen, in dem ich mir dachte okay, ich krieg das irgendwie hin, dass ich die Arbeit die ich jetzt zu tun hätte einfach um fünf Tage verschiebe. Dann habe ich mit Freund*innen, die auch Lust darauf hatten, gemeinsam beschlossen, hinzufahren. Es war also eine sehr spontane Aktion.

Du hast Lützerath ja am 14. Januar, an dem auch die große Demonstration war, verlassen. Wie hast du die Situation zu diesem Zeitpunkt wahrgenommen?

Es ist wie so oft nach solchen riesigen Demos eine Situation, in der du sehr viel Selbstwirksamkeit erfährst. Es ist einfach ein krasses Gefühl zu sehen, wie viele Menschen diesen Weg auf sich genommen haben, wirklich in das letzte Eck des Rheinischen Reviers zu kommen, in diesen kleinen Ort der super schlecht angebunden ist. Und trotzdem waren so viele da. Das ist wirklich ein schönes Gefühl. Gleichzeitig war man ein bisschen bedröppelt, weil man auch an dem Tag wieder versucht hat, in das abgesperrte Gebiet nach Lützerath zu kommen und auch an dem Tag war die Polizei dermaßen präsent und gewaltbereit. Man hatte den Eindruck, dass sie um jeden Preis verhindern wollten, dass irgendwelche Menschen friedlich demonstrierend das Grundstück von RWE betreten. Das war ein sehr absurdes Gefühl zu sehen, dass die Polizei hier eigentlich gerade das Kapital und das Profitinteresse eines Großkonzerns vor friedlichen Menschen schützt. Diese fordern nichts weiter ein, als einen Stopp der Zerstörung von Dörfern für dreckige Kohle, die wir einerseits für unsere Energiesicherheit nicht brauchen und andererseits nicht verfeuern dürfen, wenn wir das mit den 1,5 Grad und dem völkerrechtlich verbindlichen Pariser Abkommen ernst meinen.

Aktivist*innen bilden eine Menschenkette gegenüber Polizist*innen © Rasmus Noeske

"Diesen Polizeikräften in die Augen zu schauen und gleichzeitig aber auch Schiss haben zu müssen, da du nicht weisst, ob sie gleich loslaufen und dich verprügeln, oder ob sie da stehenbleiben. Ihnen dann gegenüberzustehen, Hand in Hand mit anderen Aktivist*innen - das war schon ein ambivalentes Gefühl."

Was war das generell für ein Gefühl, an so einer riesigen Demonstration teilzunehmen? (Bis zu 35.000 Teilnehmende hatte die Großdemo.)

Es ist ein krasses Gefühl, einen Demozug zu laufen und dabei den Anfang und das Ende des Zugs nicht zu sehen. Überall sind Menschen und diese Menschen sind total motiviert und singen und skandieren zusammen Sprüche. Zu sehen, dass die Klimabewegung sich nicht hat spalten lassen, gerade in den letzten Wochen mit der medialen Diskussion um eine viel beschworene Radikalisierung der Klimabewegung z.B. mit der „Letzten Generation“. Das hat gezeigt, dass es Menschen gibt, die sehen wollten, wie sich die Klimabewegung gegenseitig bekriegt. Und wir haben gezeigt, dass wir nur stark sind, wenn wir zusammenstehen im gemeinsamen Kampf um Klimagerechtigkeit. Das war ein sehr schönes Gefühl.

Konntest du mit Aktivist*innen ins Gespräch kommen, die Lützi schon längere Zeit besetzen? Wenn ja, was haben sie erzählt?

Mit Aktivist*innen aus Lützi direkt weiß ich nicht, könnte aber sein, denn sie wurden ja während der Räumung nach und nach aus dem Ort herausgetragen. Aber aus dem Unterstützungscamp auf jeden Fall. Man hat schon auch mit Leuten gesprochen, die schon im Hambacher Forst waren und dann waren sie im Dannenröder Wald, die also diese ganzen Stationen, die man so klischeehaft nach und nach abgeht, alle mitgemacht haben. Aber es waren auch sehr viele Leute, für die das zum Beispiel das erste Mal war, dass sie in den zivilen Ungehorsam gegangen sind. Es war also ein bunter Mix aus beidem und man hat auch voneinander gelernt.

In verschiedenen Medien ist immer wieder die Rede von Polizeigewalt gegenüber Aktivist*innen gewesen, vor allem während der großen Demo am 14. Januar. Wie hast du die Polizist*innen wahrgenommen?

Grundsätzlich muss man wissen, dass die Polizei dort extrem präsent war. Ich habe noch nie so viel Polizei an einem Ort gesehen. Ich persönlich habe keine physische Polizeigewalt erlebt, aber ich habe wenige Meter entfernt von mir Fälle gesehen, wo sehr unverhältnismäßig und teilweise auch ohne erkennbare Begründung Polizeigewalt angewandt wurde. Eine Freundin von mir, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort war und deswegen den Schlagstock in die Knie bekommen hat. Es war schon brutal, und auch so, dass man wirklich geschaut hat, wo gerade die Polizei ist, damit man selbst nichts abbekommt. Das ist ein sehr problematisches Gefühl, weil die Polizei eigentlich eine Institution sein sollte, die das Gefühl vermittelt, dass sie Menschen schützt und nicht grundlos auf Personen einprügelt. Das war ganz klar, dass die Polizei in dem Fall nicht uns geschützt hat, sondern die Profite von RWE im Namen dieser Regierung, die das zu verantworten hat. Die Polizeigewalt war auf jeden Fall unverhältnismäßig und da gibt es einiges aufzuarbeiten.

Gibt es denn ein Erlebnis, an das du dich wahrscheinlich auch in 20 Jahren noch explizit erinnern wirst?

Ich fand es einen krassen Moment, als wir bei der Großdemonstration direkt vor Lützerath waren und im Halbmeterabstand sind da Polizist*innen vor diesem Bauzaun gestanden. Es waren sozusagen mehrere Stufen an staatlicher Verteidigung vor Lützerath und die Aktivist*innen haben dann vor dieser Barrikade eine Menschenkette gebildet. Diesen Polizeikräften in die Augen zu schauen und gleichzeitig aber auch Schiss haben zu müssen, da du nicht weisst, ob sie gleich loslaufen und dich verprügeln, oder ob sie da stehenbleiben. Ihnen dann gegenüberzustehen, Hand in Hand mit anderen Aktivist*innen – das war schon ein ambivalentes Gefühl. Ich habe noch nie so eine direkte Konfrontation mit der Polizei erlebt. Das bleibt einem auch im Kopf, wenn man sieht, dass drei Meter neben einem irgendwer ohne Grund von der Polizei in den Dreck geschubst wird. Wir sind an Sanitäter*innen vorbeigelaufen und da haben wir gesehen, wie Aktivist*innen im Schlamm mit Decken zugedeckt lagen und offensichtlich schwer verletzt waren. Und das sind natürlich Bilder, die einem nicht so schnell aus dem Kopf gehen. Da denkt man sich dann schon: du bist gerade auf einer friedlichen Demonstration, wie kann so etwas von Seiten der Polizei dermaßen eskalieren?

Rasmus (links) und weitere Aktivist*innen während einer Sitzblockade © Rasmus Noeske

"Überall wo man hinsieht  ist ganz viel Energie von Menschen, die den Status Quo nicht einfach so hinnehmen, sondern den dringend notwendigen Widerstand leisten."

 Wie geht es dir gerade damit, dass die Kohle unter Lützi vermutlich abgebaut wird?

Noch ist das nicht entschieden würde ich sagen, deswegen würde ich raten, auch nicht zu schnell den Kopf in den Sand zu stecken. Aber Lützerath ist geräumt und diese Räumung an sich löst total schwierige Gefühle aus. Trotzdem gibt es ja noch große Fragezeichen dahinter, ob RWE momentan diese Flächen, die sie da noch abbaggern wollen, abbaggern darf und wo die Eigentumsrechte genau sind. Der aktivistische Widerstand wird weitergehen und es muss noch einiges passieren, bis der Kohlebagger nach Lützerath fährt.

Was hättest du dir von entscheidungstragenden Politiker*innen wie der Landesregierung von NRW oder auch Robert Habeck gewünscht?

Ich hätte mir vor allem von den Grünen gewünscht, dass sie ihre Wahlversprechen einlösen und keine schmutzigen Deals auf Basis sehr fragwürdiger Daten mit RWE machen. Dass sie ganz klar sagen, dass eine klimaneutrale Zukunft mit der Verbrennung von fossilen Energieträgern nicht funktioniert und dass Studien andere Möglichkeitsräume aufmachen, die zeigen, dass diese Kohle unter Lützerath nicht gebraucht wird. Und was nicht gebraucht wird, darf nicht abgebaggert werden. Diese Erkenntnis hätte ich mir gewünscht.

Welche Eindrücke hat die Zeit bei dir hinterlassen?

Was nachhaltig bleibt, ist die wiederkehrende Erkenntnis, dass extrem viel aktivistische Energie da ist, dass extrem viele Menschen zusammenstehen. Dann weiß man, man ist nicht allein mit dieser Verzweiflung und Frustration über den politischen Bullshit, der um uns herum passiert. Überall wo man hinsieht ist ganz viel Energie von Menschen, die den Status Quo nicht einfach so hinnehmen, sondern den dringend notwendigen Widerstand leisten.

Vielen Dank für das Interview.

1 thought on ““Lützerath lebt!” -oder? Im Gespräch mit einem Augsburger Studenten und Klimaaktivisten”

  1. Die Klimakonferenzen vergeigt,
    wärmer wird’s, der Meeresspiegel steigt.
    Das Eis wird dünner an den Polen,
    ganzjährig Wetterkapriolen.
    Profitgier lässt die Wälder schwinden,
    fördert weltweit Umweltsünden.
    Was nützt unser Wohlstand, alles Geld,
    wenn am Ende kollabiert die Welt.

    Fridays for Future and everyday,
    for earth and mankind the only way.

    FÜR KLIMA UND UMWELT

    Unwetter, Hitze, Wassernot;
    Feuer wüten in Wald und Flur.
    Das Wetter gerät aus dem Lot,
    Klimawandel zieht seine Spur.
    Raubbau, Waldfrevel, Plastikflut;
    uns’rem Planeten geht’s nicht gut.
    Wir sollten uns Sorgen machen,
    und nicht über Greta lachen.

    Man produziert und produziert,
    plündert Ressourcen ungeniert.
    Gewinnmaximierung ist Pflicht,
    die intakte Natur zählt nicht.
    Börsenkurse steh’n im Fokus,
    Umweltschutz in den Lokus.

    Der Mensch, dieses kluge Wesen
    kann im Gesicht der Erde lesen.
    Er sieht die drohende Gefahr,
    spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
    Homo sapiens muss aufwachen,
    seine Hausaufgaben machen.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    im Einklang mit der Natur leben.

    Zu viele Buchen und Eichen
    mussten schon der Kohle weichen.
    Retten wir den herrlichen Wald,
    bewahren die Artenvielfalt.
    Kämpfen wir für Mutter Erde,
    dass sie nicht zur Wüste werde.

    POEM FOR MOTHER EARTH

    The earth is our mother,
    we will not have another.
    There’s no better place to find
    for animals, plants, mankind.

    Green woods, beautiful lakes,
    nature has got, what it takes.
    We have to keep clean the air,
    as environment everywhere.

    Put an end to coal mining,
    nuclear power and fracking.
    Climate concerns all nations,
    just as plastic in the oceans.

    For good living day and night
    must change darkness and light.
    Our planet, so wonderful blue,
    we will always protect, we do!

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Weniger ist mehr, nicht nur im Verkehr.
    Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
    nehmen wir uns die Freiheit.

    Herzliche Grüße aus Thüringen

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