Die eigene Identität als Leinwand

Im Gespräch mit der Wiener Dragqueen Metamorkid über Drag als Kunstform und das queere Nachtleben.
Dragqueen Metamorkid aus Wien
Die Dragqueen Metamorkid aus Wien (Bildquelle: www.dorishimmelbauer.com)

Die nicht-binäre Wiener Dragqueen Metamorkid (sie/ihr) gehört zu einer neuen Generation der Dragqueens. Sie nutzt die Kunstform, um ein großes “Fuck You” an alle einschränkenden gesellschaftlichen Strukturen zu senden und auf die queere Community aufmerksam zu machen. Presstige trifft sie nach ihrem Auftritt im Backstage-Bereich der queeren Kultparty “Garry Klein” in München.

Presstige: Metamorkid, woher kommt eigentlich dein Name?

Metamorkid: Das sind drei Wörter, die zusammengesetzt sind. Da ist die Metamorphose, die Orchidee und Club-Kid. Es sind drei Begriffe, die mich inspiriert haben und da habe ich mir gedacht: Okay, das könnte ein cooler Name sein!

Presstige: Was bedeutet Drag für dich?

Metamorkid: Drag bedeutet für mich die purste Form von Self-Expression. Für mich ist Drag eine Kunstform, in der deine Identität die Leinwand wird. Du kannst alles sein! Drag hinterfragt sehr viele Konstrukte, die uns die Gesellschaft auferlegt und sagt: Eigentlich ist es gar nicht so eng! Da hat ein Mensch ein Kleid an und it doesn‘t matter!

Für mich ist Drag eine Kunstform, in der deine Identität die Leindwand wird.
Metamorkid
Dragqueen aus Wien

Presstige: Wieso braucht die Nachtkultur Queerness und Drag?

Metamorkid: Ich glaube, da liegt eine große Geschichte dahinter. Wir wurden lange in der Öffentlichkeit nicht ernstgenommen oder konnten erst gar nicht wir selbst sein, weil wir einfach Angst hatten. Und das ist noch immer so. Die queere Clubkultur gibt uns die Möglichkeit, uns komplett auszudrücken. Hier können wir wir selbst sein, ohne die Angst haben zu müssen, dass das jemandem nicht passt. Wir sind unter uns und jeder versteht sich. Deswegen ist die Queerness in Clubs wahnsinnig wichtig. Das ist für uns einfach ein SafeSpace.

Presstige: Was braucht ein Ort – in diesem Falle ein Club – um ein SafeSpace zu sein?

Metamorkid: Wir sind in einem Punkt in der Clubkultur, an dem wir eher von SaferSpaces reden können und niemals von 100% SafeSpaces. Denn in der Schlange beim Ticketeinlösen kannst du nicht jede Person komplett kontrollieren und durchschauen. Es ist nie zu 100% sicher. Aber an Orten wie diesen weiß ich: Meine Freunde und meine Community sind da. Es wird ein Space erschaffen, in dem man weiß: 99% der Menschen dort sind so wie ich. Wie hier im “GarryKlein” zum Beispiel.

Für uns Dragqueens ist es immer sehr wichtig zu verstehen:
Wo bin ich und was sage ich aus?
Metamorkid

Presstige: Was wünscht du dir für das queere Nachtleben in Zukunft?

Metamorkid: Ich glaube, das Wichtigste für das queere Nachtleben ist, dass es erstmal erhalten bleibt und nicht wegstirbt. Obwohl es das niemals wird, wenn wir ehrlich sind. Denn hier kommen wir her und hier werden wir immer hingehen. Für die Zukunft wird es eher spannend, über das Nachtleben hinauszudenken. Eher in die Öffentlichkeit zu gehen. Shows mit Drag zu machen, die viel mehr öffentlich sind und in den Mainstream hineinpushen. Um unsere Message, die so stark ist, nicht nur in einem Club zu haben, indem wir eh schon “sicher” sind, sondern es in die Welt hinauszutragen und zu sagen: Hey! Wir sind da! Und ja, wir sind in unseren SaferSpaces da, aber wir sind auch da draußen da. Also nehmt uns ernst!

Presstige: Wie viel Arbeit und Zeit steckt hinter deinen Performances?

Metamorkid: Well, da ist viel dahinter! Es sind die Haare, das Kostüm, die Musik… dann musst du auch noch die Lyrics lernen. Außerdem musst du dich fragen: Was mach ich in der Performance? Was will ich aussagen? Im Drag steckt so viel Kunst dahinter. Es ist Entertainment aber genau das Entertainment bietet viele Möglichkeiten, Messages zu überbringen. Es ist aber auch immer unterschiedlich. Bei einem High-Art-Piece arbeite ich auch Mal einen Monat an dem Kostüm und an dem Song, bis alles genau passt.

Presstige: Und wie lange has du für deinen Auftritt heute gebraucht?

Metamorkid: Für den?! Na da hab ich ganze fünf Minuten für gebraucht (lacht). Nein Spaß, das war eine Nummer, die ich schon ewig mache. Das ist für mich eine dieser Nummern, bei denen ich einfach sage: I’m a bad bitch! Periodt! Nein im Ernst: für heute…(überlegt) nicht lange! Zwei Stunden MakeUp. Anziehen. Das Kleid ist ein Traumkleid. And you know: It is what it is!

Presstige: It is what it is.

Metamorkid: It is what it is. Es ist so ein Zwischending, zwischen Self-Expression und Entertainment. You know what I’m saying? In der Clubkultur sind manchmal die Sachen, die wir machen etwas mehr abgestimmt auf die Art und den Verlauf des Abends. Ich muss heute ganze fünf Stunden hier drin sein (zeigt auf das Kostüm). Deswegen habe ich das an, damit ich überleben kann und keinen Hitzetod bekomme (lacht). Und auch der Song hat vielleicht nicht so eine große Message, wie bei einer normalen Dragshow, denn es geht hier heute mehr um das Entertainment. Für uns Dragqueens ist es immer sehr wichtig zu verstehen: Wo bin ich und was sage ich aus? Und heute war für mich einfach klar, was ich aussagen will. Wir wollen einfach alle gemeinsam feiern und einen geilen Abend haben. Und da brauchts manchmal gar nicht so viel.

Presstige: Du hast am Ende der Performance den Stinkefinger gezeigt…

Metamorkid: Yes! It’s a „Fuck you”! It’s making fun of it! It’s a: You know what?! This is all so stupid! Look at me!

Video: The Art of Drag feat Metamorkid

Ja wir sind in unseren SaferSpaces da, aber wir sind auch da draußen da! Also nehmt uns ernst!
Metamorkid

Presstige: Gefällts dir hier in München beim Garry Klein?

Metamorkid: I LOVE IT! Vor allem der Mini-Popfloor ist der Wahnsinn! Bei uns in Wien ist es nämlich immer umgekehrt: Es gibt einen riesigen Popfloor und einen kleinen Techno-Floor und hier ist einfach dieser große Techno-Floor!

Presstige: Bist du denn auch ein Techno-Fan?

Metamorkid: No actually not! (lacht)

Presstige: Dann konnte der Floor hier dich auch nicht überzeugen?

Metamorkid: Noooooo… But it’s not because of them its because of me! I just don’t prefer it.

Dragqueen Metamorkid aus Wien
Metamorkid im Backstage-Bereich des "Harry Klein" in München (Foto: Charlotte Theis)

Presstige: Gehst du überhaupt noch außerhalb des queeren Nachtlebens feiern?

Metamorkid: No! And I never have. Why would I, you know? Ich fühle mich sicher an diesen Orten. Ich fühle mich so, als wüsste jeder genau wer ich bin. Warum sollte ich an einen Ort gehen, an dem ich Angst haben muss, dass meine Existenz hinterfragt werden könnte?

Presstige: Was denkst du dann darüber, dass auch vermehrt heterosexuelle Menschen queer feiern gehen? Bist du Team “Jede:r Willkommen” oder eher Team “Lasst uns lieber unter uns sein”?

Metamorkid: Ich sag dir ganz ehrlich: Es ist jeder willkommen. Denn diese Menschen, die von außerhalb kommen, die tragen die Message nach außen weiter. Das ist super wichtig. Wir unter uns wissen ja schon, was wir sind. Die einzige Bedingung ist: Be aware, wo du bist und gib Respekt gegenüber dem wo du bist. Das ist nicht dein Moment. Du kommst in einen Space, der für Menschen da ist, die ihn brauchen, weil sie draußen nicht akzeptiert werden.

Das Interview wurde am 09. März 2023 geführt

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